So viel Kritik muss sein: Jan-Paul Koopmann über Monsta am Moks: Bedingungslose Kapitulation mit Herz
Die Türen sind noch keine zwei Minuten geschlossen und das Licht eben erst gedimmt, da tastet im Publikum das erste Kind nach Mamas Hand. Leicht schräg dahinter rücken auch zwei Geschwister im Halbdunkel etwas näher zusammen, weil’s ja doch ein bisschen unheimlich wird im Theater. Und dabei hat sich dieses fürchterliche Ungeheuer, um das es hier heute gehen sollte, noch nicht mal blicken lassen auf der Bühne.
Stattdessen beschwört „Monsta“ nach dem Kinderbuch von Dita Zipfel und Mateo Dineen eingangs eher diffuse Ängste herauf. Fiese Fragen gackern aus dem Lautsprecher, kommen zugleich aber irgendwie auch unter diesem bunten Kissen- und Polsterberg in der Bühnenmitte hervor. Jedenfalls bewegt der sich immer sehr verdächtig, wenn es zum Beispiel heißt: Ist das hier etwa ein Theaterstück, wo man mitmachen muss? Führt der Weg zum Klo echt über die ganze Bühne? Was, wenn das hier in Wirklichkeit gar nicht ab sechs Jahren geeignet ist? Nach ein paar Minuten ist der Spuk vorbei und er kommt auch nicht mehr wieder, obwohl Nathalie Forstmanns Inszenierung tatsächlich sehr entschieden darauf verzichtet, das flauschige Bilderbuchmonster der Vorlage allzu niedlich ausfallen zu lassen. Es ist ein zahnlos Fieser, den Fabian Eyer und Anne Sauvageot hier in ihren Plüschjacken spielen.
Immer wieder unternehmen sie mit Elan aber ohne Hoffnung neue Gruselversuche, zaubern (mit Unterstützung von Bühnenmusiker Jan-Willem Fritsch) eingängig-knarzige Elektrosounds aus komischen Maschinen, spielen präparierte Posaunen und schrille Blockflöten in neonfarben – und vor allem geben sie energisch erst den Kindern und dann aneinander die Schuld daran, dass es einfach nicht mehr gruselig wird. Weil alles abprallt vom Kind und von dem oder der Mitspieler:in.
Und das ist kein Versehen, sondern tatsächlich der inhaltliche Kern der Geschichte, die sich um dieses erfolgreiche Spielen von Erfolgslosigkeiten dreht: Ein Monster zieht unters Kinderbett, um das Kind zu erschrecken. Weil das aber nicht funktioniert, gibt das Biest irgendwann zerknirscht auf und zieht Leine.
Der Stücktext ist nun sein Abschiedsbrief, in dem gleich zwei Empowerment-Geschichten schlummern. Die eine erinnert, dass Bedrohliches auch wieder verschwindet, solange man sich nur ja nicht unterkriegen lässt. Die andere gilt eher Monstern und Eltern und sie weiß, dass man auch mal scheitern darf auf der Arbeit – und sich oft genug umorientieren kann.
Bereits im Bilderbuch gerät dieses Nebeneinander zur Gratwanderung zwischen Mitleid und Widerstand, was Forstmanns Inszenierung gekonnt sogar noch zuspitzt. Es ist wirklich lustig, dieses Monster, aber eben auch wirklich gemein, wenn es die Kinder ankeift oder zum Höhepunkt noch ein so schwungvolles wie doppeldeutiges Lied krakeelt: „Wir sind die Schlechten!“
Nächste Aufführungen von Monsta: heute, 6. 7., und Mi. 7. 7., jeweils 10.30 Uhr, Theater Bremen, Brauhaus
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