So viel Kritik muss seinJan-Paul Koopmann über„Für Vier“ im Moks: Vier Minutenzu lang
Wieder am 3. 5. und 13. 6. um 10.30 Uhr sowie am 15. und 16. 6. um 19 Uhr, Theater Bremen, Brauhaus
So ein Leben als Kernfamilie mit Vater, Mutter und Kind wäre ja vielleicht auch ganz nett, heißt es einmal kurz im Stück. Weiter kommt die vermeintliche Normalität nicht vor. Stattdessen führt Birgit Freitags Choreografie „Für Vier“ in anfangs bemerkenswert ungezwungener Offenheit vor, wie wild es durcheinandergeht, wenn man heute wen auf seine oder ihre Identität abklopft. Und mit Fragen werden die vier Tänzer*innen der Stücks geradezu bombardiert.
Welche Sprachen sprichst du? Nimmt man dich ernst? Kannst du fliegen? All das wandert in Leuchtschrift über die Wände und wird zwischen den Tanznummern auch mit Worten beantwortet. Mal ist das verblüffend, dann wieder total banal – in ihrer Masse machen die Antworten aber klar, was es für die je Einzelnen bedeutet, dass Gesellschaft heute als Flickenteppich erscheint.
Erzählt und getanzt werden hier in Ansätzen auch echte Biografien. Hanna Mencz und Raúl Stadler Torrijos gehen in die siebte Klasse und verhandeln in ihren präzisen und ausdrucksstarken Soli Schulfrust, Zukunftsfragen und ihre Familiensituation. Anna Jäger und Julian Anatol Schneider sind um die Dreißig, haben sich in der Welt bereits eingerichtet – und lassen sich trotzdem nicht in Ein-Satz-Biografien zwängen.
Statt die erwartbaren Konfrontationen von Mann und Frau – von jung und etwas älter – durchzuexerzieren, konzentriert sich die Choreografie auch in den Gruppenszenen auf vier unterschiedliche Individuen auf Augenhöhe.
Und so wäre alles ganz wunderbar mit dieser Moks-Produktion, würde in den letzten Zügen nicht noch mit dem Holzhammer die Schlechtigkeit der Welt bemüht. Die Frage, wo das mit Klima, Krieg und so weiter noch enden solle, ist nämlich wirklich eine richtig blöde. Denn dass im Leben alles nicht so einfach ist, man sich arrangieren muss, Rückschläge und Widersprüche aushalten – das hatten auch die ganz jungen Tänzer*innen gerade eben noch mit bravourösem Fingerspitzengefühl auf den Punkt gebracht.
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