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So viel Kritik muss sein: Jan-Paul Koopmann über David Hepps „rips messina sr, fb0901“ im KuboDas irre Echo des grauen Teppichs

Foto: Galerie Mitte/Kubo

Es ist gar nicht so einfach, diesen Moment zu benennen, in dem offenbar alles stehen geblieben ist – als das Kunstwerk fertig war. David Hepp hat einen Teppich verlegt, Meterware, grau, schlicht, kein bisschen elegant. Die vier Bahnen und dieser Fitzel in der Nische sind allesamt zu groß. Sie wölben sich an den Wänden hoch und werfen Falten.

Auf den ersten Blick erinnert das Gewusel vor den schlicht weißen Wänden der Galerie Mitte an Malervlies, als wäre eben gestrichen worden und die eigentlich Ausstellung noch gar nicht aufgebaut. Ein fixierter Interimszustand ist das, der auch deshalb so schwer zu fassen ist, weil er in sich total unruhig ist: weil das Publikum durch den Raum und damit zwangsläufig durch das Werk latscht und es dadurch ständig verändert.

„rips messina sr, fb0901“ heißt diese Arbeit. Es ist die erste Bremer Einzelausstellung des 2017 an der Hochschule für Künste diplomierten Künstlers. In jüngerer Zeit aufgefallen ist Hepp aber trotzdem gleich mehrfach, erst in der Meisterschüler*innenausstellung in der Weserburg, dann in der Städtischen Galerie als Nominierter für den Bremer Förderpreis für bildende Kunst.

Dort wie hier erweisen sich seine Arbeiten als subtile Zugriffe auf alltägliche Materialien – die sich hier nun neuerdings als ins Absurde gewendete Prozesse gestalten: Hepp hat den Raum genauestens vermessen, nur um die Teppichbahnen in möglichst exakter Übergröße sich selbst zu überlassen. Eine grobe Richtung geben höchstens die drei Pfeiler in der Galerie vor, um die herum der Teppich auf je unterschiedliche Weise eingeschnitten wurde: von hinten nach vorn immer sorgfältiger werdend (oder umgekehrt nachlässiger). Drumherum tobt die Tektonik der Teppichwelten und erinnert gleichermaßen an massive Gebirgsrücken wie an die unruhig werdende See.

Interessant ist die Wirkung: Man sucht hier und da, schweift aber doch unweigerlich ab, folgt der nächsten Falte, stoppt am nächsten Knick. Und spätestens beim Staksen über die Wölbungen wird klar, wie viel Körper und wie viel Vergänglichkeit in dieser Arbeit stecken. Schon der kurze Gang auf die andere Seite der Galerie kann Verwerfungen auslösen – wer die Perspektive wechselt, findet die vorherige wahrscheinlich nie mehr wieder.

Die Arbeit ist der Galerie Mitte auf den Grundriss geschneidert, dieser sonderbare Raum im Raum woanders unvorstellbar, obwohl ja tatsächlich nur der Fußboden in Beschlag genommen wurde. Und trotzdem ist dies keine dieser derzeit so beliebten Interventionen in irgendwelche Räume. „rips messina sr, fb0901“ ist ein Witz ohne Pointe und ein Spiel, dessen Regeln Hepp nicht verrät. Am Ende jedenfalls wird Material, das langweiliger kaum geht (grauer Teppich!), zur Echokammer innerer Zustände, die sich völlig diffus zerlegen, bis nichts mehr von ihnen bleibt. Und so beknackt das auch klingen mag: Es hat wirklich etwas Meditatives, ja Befreiendes, sich diesen geknüllten Teppich anzusehen.

Die Ausstellung „rips messina sr, fb0901“ ist bis zum 23. 3. in der Galerie Mitte im Kubo zu sehen

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