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So viel Kritik muss sein: Benno Schirrmeister über Wolkenschäden in der GAKUnverkäufliche Heimatkunst

Manchmal klingt in einem Wort viel mehr an, als es bedeuten soll. Im Fachjargon der Trainspotter, also jener Leute, die mit Kameras besonderen Zügen in besonderen landschaftlichen Konstellationen auflauern und die Bilder von ihnen sammeln, bezeichnet ein Wolkenschaden das Unglück, dass sich im alles entscheidenden Augenblick irgendein verkacker Cumulus vor die Sonne schiebt. Oder den Mond.

Felix Dreesen, der Bildmaterial aus dieser nicht sehr extrovertierten Szene geborgen hat und per Carousel-Diaprojektor an eine Wand projizieren lässt, nutzt das suggestivstarke Wort aber nicht nur für diese Installation als Titel. Er hat es zum Namen seiner gesamten Ausstellung gemacht: „Von Wolkenschäden“ heißt sie, wird in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst gezeigt, besteht aus gerade einmal neun Arbeiten und ist die erste institutionelle Einzelausstellung des Künstlers. Der ist so bremisch, wie man nur sein kann: Hier 1987 geboren, hier aufgewachsen, hier studiert, hier geblieben. Die Weser ist er zusammen mit Stephan Thierbach für die Arbeit „Treibgut“ von Anfang bis Ende runtergeflößt, von Kassel bis zur Nordsee auf einem selbst gebauten Boot ohne Antrieb, drei Wochen.

Eine Installation, die dem Marcks-Haus gehört, hat dem Protest gegen die Bebauung des Bahnhofsvorplatzes eine Form verliehen, die ihm garantiert, das City Gate zu überdauern: als kritischer Grundstein. Und den Hollweg-Preis für bildende Kunst hat er für „Patches of Protest“ erhalten, die Sicherung der verbliebenen neun von ursprünglich 90 Fenstern, die im alten Kühne-&-Nagel-Bau in einer anonymen Protestaktion in Rot mit einem Hinweis auf die führende Rolle der Spedition beim Raub jüdischen Eigentums durch die Nazis, die sogenannte „Arisierung“, beschriftet worden waren. Ist das Heimatkunst? Möglich.

Aber nicht provinziell: Wenn man es abstrakter auf den Begriff zu bringen versucht, wird man erstaunt feststellen, dass Dreesen in frappierender Unbefangenheit sehr konsequent nach einem großen philosophischen Urthema fragt, nämlich dem Verhältnis von Zeit und Raum, das – Achtung, jetzt kommt die Rückbindung zur Herkunft des Titels! – genau in Momenten der Krise und des Übergangs greifbar wird, Macht übers Bild gewinnt.

Spielerisch, beiläufig und mit Mut zu unverhoffter Schönheit lassen die Arbeiten der Ausstellung das mehr zu, als es in Szene zu setzen. Am radikalsten tritt das vielleicht in der Entscheidung auf, die Fenster der GAK sämtlich sperrangelweit zu öffnen. Sie gehen alle auf die Weser hin, drüben sind die Schlachte zu sehen und die Kaimauer. Das Außen dringt so als kalter Wind, als brackiger Geruch, als Lärm und Geräusch in die abgeschottete Kunst-Welt der Galerie. Optisch aber wird es auf diese Weise auch verändert: Die Fensterrahmen werden zur Markierung eines Bildraums, der so tut, als könnte er „Hier“ heißen, und behauptet, Wirklichkeit zu sein. Diese Arbeit trägt keinen Titel und muss mit dem Ende der Ausstellung zerstört werden.

„Von Wolkenschäden“: GAK, Teerhof 21, täglich außer montags 11 bis 18 Uhr, bis 24.10.

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