So richtig Spaß in der Stadt gibt es nur mit einem Promi-DJ: "I will survive" im Supermarkt
Durch die Nacht
von Andreas Hartmann
Berlin hat einen Trend verpasst: den Trend zum Promi-DJ. Unter dieser Rubrik laufen Gestalten, die sich ihre öffentliche Bekanntheit in eher DJ-fremden Gefilden verdient haben, bevorzugt auf RTL, und die zwischendurch mal am DJ-Pult die Sau rauslassen. Der „Bachelor“ Paul und die Trashqueen Micaela Schäfer sind Promi-DJs, wobei Letztere auch als Nackt-DJane gelistet wird, weil sie beim Auflegen gelegentlich ihr Oberteil anzuziehen vergisst. Was erstaunlicherweise dem Busenwunder Sophia Wollersheim, Zweitplatzierte der letzten „Dschungelcamp“-Staffel und ebenfalls Promi-DJ, noch nie aktenkundlich passiert ist.
Ausgerechnet in Berlin, der Welthauptstadt der DJs, scheint es kaum Persönlichkeiten der Liga Udo Walz zu geben, die sich zum Spaß einfach mal DJ nennen. Vor Jahren hat mal Jürgen Trittin in der Kalkscheune mit Vinyl gearbeitet, zum Höhepunkt seiner Bekanntheit, was dann eindeutig ein Promi-DJ-Event war. Trittin firmierte als DJ Dosenpfand, was wohl auf ein gewisses Verständnis für Selbstironie beim ehemaligen Obergrünen hindeuten sollte. Aktuell hätte er es als Promi-DJ allerdings schwer, den Mann kennt ja kein Mensch mehr, er könnte nur noch den DJ, nicht mehr aber den Promi-DJ geben.
Ich denke mal, der Mangel an Promi-DJs in der Hauptstadt liegt vor allem daran, dass hier die Profession des DJs überhöht wird. Würde man im Berghain nachfragen, was für die ein Promi-DJ ist, würden sie Namen von irgendwelchen Szenestars nennen und bestimmt nicht den von Jan Leyk, dem in „Berlin – Tag & Nacht“ bekannt gewordenen Hobbydarsteller, der sich inzwischen auch DJ nennt.
Dass man hier mit der aktuellen Bedeutung des Begriffs Promi-DJ nichts anfangen kann, zeigt sich auch daran, dass missverständlicherweise der Berliner DJ Noppe gelegentlich als Promi-DJ firmiert. Das aber weniger, weil er selbst Promi wäre, sondern bloß für solche auflegt. DJ Noppe drehte bereits für Günther Jauch und Oliver Bierhoff die Plattenteller, und Michael Ballack heizte er auf dessen Hochzeitsparty ein.
Dabei würde es Berlin gut zu Gesicht stehen, auch Plattenaufleger zu tolerieren, die nicht nur einem eingeweihten Ausgehpublikum etwas sagen, sondern der großen Masse. Wir könnten alle davon nur profitieren. Als Noah Becker, Promi-DJ aufgrund der Tatsache, dass sein Vater ein berühmter Tennisspieler war, in einer Berliner Kaiser’s-Filiale vor Regalen mit Konservendosen aufgelegt hat, war sich der Stern jedenfalls sicher: „Berlin hat Lust, im Supermarkt zu feiern, das merkt man.“
Und das stimmt ja auch. Berlin will doch eigentlich immer und überall feiern, selbst im Supermarkt. Aber dafür, auch mal die Hausfrau beim Einkaufen zum Tanz zu bitten, sind sich die Berliner Club-DJs zu fein. Neben der Käsetheke „I will survive“ zu spielen, das gälte als uncool und hundertprozent karriereschädigend für jeden DJ, der auf seinen Ruf achten muss.
Bei einem Promi-DJ dagegen spielt so was nun wirklich keine Rolle mehr. Wollen wir also mehr Spaß, nicht nur im Club, sondern auch im Alltag, sollten wir uns mehr DJs in Berlin wünschen, die eigentlich alles Mögliche sind, außer echte DJs.
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