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Archiv-Artikel

So klappt’s auch …

. . . mit der Versicherung

Dem System der Ver- sicherungen kann man guten Gewissens nur mit Verweigerung begegnen

VON SEBASTIAN HEISER (TEXT) UND ELÉONORE ROEDEL (ILLU)

Die junge Frau in der TV-Werbung verschränkt selbstbewusst die Arme vor ihrem Körper und spricht in die Kamera: „Kann eine Versicherung nicht mal auf meiner Seite sein? Auch wenn’s gegen die Versicherung geht?“ Na klar geht das, informiert der Hintergrundsprecher mit seiner sonoren Stimme, während die Kamera auf der Frau bleibt, die sich inzwischen in einem Sessel räkelt: „Deshalb gibt es bei Ergo jetzt den Kundenanwalt.“

Doch diese Werbung steht nun vor dem Aus. Das Landgericht Düsseldorf verbot der Versicherung Ende Juni, die Bezeichnung „Kundenanwalt“ zu verwenden. Die Richter bemängelten, dass der Kundenanwalt von Ergo, Ralf Königs, gar kein Rechtsanwalt ist – und dass er nicht allein die Interessen der Kunden vertritt, sondern in die Hierarchie des Konzerns eingebunden ist. Die sonntaz hatte bereits im September 2011 über den Etikettenschwindel berichtet. Ergo gibt allerdings noch nicht auf und will in die nächste Instanz gehen.

Wer im Konflikt mit seiner Versicherung Unterstützung sucht, sollte sich besser an den Ombudsmann Günter Hirsch wenden. Seine Schlichtungsstelle wurde zwar von den Versicherungen gegründet, er bietet aber schon durch seine Person eine gewisse Unabhängigkeit. Hirsch war vorher Präsident des Bundesgerichtshofs.

Bei Hirsch gingen im Jahr 2012 genau 17.263 Beschwerden ein: „Traditionell betreffen die häufigsten Beschwerden die Lebens- und Rentenversicherung.“ Als „besonders tragisch“ schildert Hirsch den Fall eines Mannes, der zusammenbrach und im Wachkoma lag. Seine Frau wollte die Berufsunfähigkeit geltend machen. Die Versicherung weigerte sich mit der Begründung, der Patient habe bei Vertragsabschluss falsche Angaben zu seiner Gesundheit gemacht. Kompliziert wurde es, weil sich der bewusstlose Mann nicht wie gefordert zu dem Vorwurf äußern konnte. Nachdem Hirsch sich einschaltete, zahlte die Versicherung doch noch – aber nur aus Kulanz.

Hirsch darf allerdings nur Fälle untersuchen, bei denen es um bis zu 100.000 Euro geht. Und nur bis 10.000 Euro darf er eine für die Versicherungen verbindliche Entscheidung treffen.

Gerade die teuren Fälle sind allerdings die, bei denen die Versicherungen besonders gründlich prüfen, ob sie nicht doch eine Möglichkeit finden, das Geld nicht zu zahlen. Da wird dann zum Beispiel angezweifelt, ob die Rückenschmerzen wirklich Folge eines Unfalls sind. Oder ob es wirklich ein Unfall war, dass die Kreissäge zwei Finger abgetrennt hat – und keine Absicht, um die Berufsunfähigkeitsversicherung abzukassieren. Versicherungsaussteiger berichten davon, dass oft auch einfach auf Verdacht abgelehnt wird, um zu testen, ob der Versicherte sich überhaupt wehrt.

Der Versicherte stößt also ausgerechnet in den Fällen auf den größten Widerstand, wo er existenziell auf Hilfe und Unterstützung angewiesen wäre. Außerdem haben Versicherungen zwei strukturelle Vorteile, die sie in solchen Fällen ausspielen können: Geld und Zeit. Sie können es sich leisten, einen Fall von ihren Anwälten bis durch alle Instanzen klagen zu lassen. Sie warten, bis der Versicherte so weichgekocht ist, dass er einem Vergleich zustimmt, mit dem er sein Geld sofort bekommt – auch wenn es weniger ist, als ihm zusteht.

Einem solchen System kann man guten Gewissens eigentlich nur mit Verweigerung begegnen. Wer braucht schon eine Reisekostenrücktrittsversicherung? Und bricht wirklich die Welt zusammen, wenn man die Kosten für einen Urlaub zahlen muss, den man wegen kurzfristiger Krankheit nicht antreten kann? Und wer weiß, ob einem die Versicherung das mit der Krankheit am Ende überhaupt glaubt?

Das ist überhaupt der beste Ratschlag: Auf alle Versicherungen, bei denen es nicht um existenzbedrohende Schäden geht, sollte man getrost verzichten. Wenn das Fahrrad dann doch geklaut wird, muss man sich halt vom eigenen Geld ein neues kaufen – und kann sich dafür die Versicherungsprämie sparen. So bleibt im Durchschnitt übrigens auch am Ende mehr Geld in der eigenen Tasche.

Sinnvoll sind Versicherungen nur, wenn es um wirklich große Summen geht, die man allein niemals zahlen könnte. Um die Haftpflicht führt also wohl kein Weg vorbei. Wer sie abschließt, sollte nur nicht erwarten, auch problemlos an das Geld zu kommen, wenn er es braucht. Die Versicherer sind pervers genug, auch dafür ein passendes Angebot zu haben: eine Rechtsschutzversicherung, die einem hilft, gegen die Versicherung zu klagen.