: Smog: Der geteilte Himmel
■ Neue Ostberliner Smog-Verordnung ist laxer als ihr westliches Gegenstück Verschärfte Westberliner Regelung soll schon bald in Kraft treten
Das unterschiedliche umweltpolitische Tempo kann auch in diesem Winter dazu führen, daß der Autoverkehr in Ost-Berlin trotz dicker Luft weitergeht, während in West-Berlin Fahrverbot herrscht. Eine Kooperation zwischen West- und Ost -Berlin bei Smog-Situationen wird deshalb ein zentrales Thema der Gespräche sein, zu denen sich Umweltsenatorin Schreyer und der DDR-Umweltminister demnächst treffen wollen.
Der DDR-Ministerrat hat zwar am Donnerstag erstmals eine Smog-Verordnung für die DDR beschlossen. Doch die ist deutlich laxer als die verschärfte Westberliner Smog -Verordnung, die in Schreyers Verwaltung gerade auf den Weg gebracht wird. Die neue DDR-Regelung bleibt auch hinter der Bonner Muster-Smogverordnung zurück, obgleich DDR-Offizielle gestern in Ostberliner Zeitungen erneut erklärten, in der DDR würden nun die selben Grenzwerte gelten wie in der Bundesrepublik.
Richtig daran ist, daß jenseits der Mauer nun dieselben Grenzwerte für Schwefeldioxid gelten (Vorwarnstufe: 0,6 Milligramm pro Kubikmeter; Stufe 1: 1,2 mg; Stufe 2: 1,8 mg). Die Schwebstaubkonzentration jedoch, die im Westen mit einfließt, wird in Ost-Berlin gar nicht gemessen. „Dafür besitzen wir keine geeignete Meßtechnik“, erklärte gestern Wolfgang Clemens, der Leiter der Bezirkshygieneinspektion in einem Interview der 'Berliner Zeitung‘.
Große Unterschiede gibt es hinsichtlich der Konsequenzen, die die Behörden in Ost und West aus den Luftwerten ziehen. Während in West-Berlin bei Stufe 1 ein Fahrverbot verhängt wird, geben die Behörden der DDR in der „Einsatzstufe I“ nur die „Empfehlung“ aus, auf den Wagen zu verzichten. Erst die Einsatzstufe II, die nur selten erreicht wird, führe zu einem Fahrverbot, erläuterte Clemens gestern auf Anfrage der taz. Dieser Unterschied ist allerdings verständlich: Im Westen können sich Autofahrer vom Fahrverbot befreien, wenn sie einen Katalysator einbauen lassen. Für DDR-Autos gibt es keine entsprechenden Filter. Schreyer hatte kürzlich gefordert, in beiden Stadthälften müßten bei Smog die gleichen Maßstäbe gelten. Solche Forderungen kommen angesichts des technologischen und wirtschaftlichen Gefälles leicht in den Ruch des „Öko-Kolonialismus“. Während der Senat gestern Ost-Berlin angeboten hat, bei der Meßtechnik behilflich zu sein, läßt sich das Katalysatorproblem kurzfristig nicht lösen.
Anfang nächsten Jahres wird der Unterschied noch stärker hervortreten. Dann wird, so hofft man in der Umweltverwaltung, die neue Smog-Verordnung für West-Berlin in Kraft treten. Smog-Alarm muß dann zwar nicht öfter ausgerufen werden; er wird jedoch unter Umständen länger andauern. Aus bisher einem Tag könnten leicht zwei oder drei werden. Gerade die Schwebstaubkonzentration, die Ost-Berlin nicht ermittelt, bekommt in West-Berlin stärkeres Gewicht. Außerdem werden die entscheidenden Meßwerte nicht mehr über 21 Stunden gemittelt, sondern nur noch über zwölf Stunden. Die DDR-Behörden wollen, analog zur Bonner Muster -Verordnung, den 24-Stunden-Durchschnitt nehmen.
Streit mit SPD-Verkehrssenator Wagner hatte Schreyers Absicht ausgelöst, schon 1991 die bisher erteilten pauschalen Ausnahmen vom Fahrverbot abzuschaffen. Sie werden für berufsbezogene, „unaufschiebbare und notwendige“ Fahrten erteilt, zum Beispiel für Ärzte und Journalisten. Die beiden Verwaltungen haben nun einen Kompromiß gefunden: Kleinlaster unter 3,5 Tonnen dürfen noch bis 1993 mit pauschaler Ausnahmegenehmigung weiterfahren. Für Pkws soll es dagegen schon ab 1991 nur noch Einzelausnahmen geben, die die Umweltverwaltung „sehr restriktiv“ erteilen will. Umstritten ist jetzt nur noch eins: Welche Behörde ab 1993 diese Einzelausnahmen vergibt. Umweltverwaltung und Straßenverkehrsbehörde würden sich gerne gegenseitig die Arbeit in die Schuhe schieben.
hmt
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