"Smashing Pumpkins" werden "Singles-Band": Das Ende des Albums
Die Kultband "Smashing Pumpkins" will künftig keine Alben mehr veröffentlichen. Der Grund: Dank iTunes & Co. kaufen immer mehr Nutzer nur noch einzelne Stücke.
Die Plattenbranche hat es seit Anfang des Jahrzehnts wirklich nicht leicht: Die Piraterie im Internet und die zunehmend radikale Veränderung des Geschäftsmodells Musikvertrieb sorgt regelmäßig für zweistellige Umsatzrückgänge. Nun kommt auch noch eine Veränderung der Formate hinzu, in denen die Werke der Künstler angeboten werden: Es scheint, als sei das gute alte Album mit einer Laufzeit von 60 Minuten und mehr vom Aussterben bedroht.
Erste Anzeichen dafür gibt es bereits seit mehreren Jahren: Dank der Möglichkeit, seinen Musikbedarf auf Download-Plattformen wie iTunes direkt über einzelne Stücke für 99 Cent pro Song zu decken, statt ganze Platten für 9 Euro 99 pro Album erwerben zu müssen, picken sich die Kunden zunehmend die von ihnen gewünschten Rosinen aus dem (Über-)Angebot in den Online-Läden heraus.
Die Neunzigerjahre-Kultband "Smashing Pumpkins" hat diesen Trend nun voll für sich entdeckt. Frontmann Billy Corgan sagte in dieser Woche gegenüber der Zeitung "Chicago Tribune", dass seine Formation künftig kein einziges neues Album mehr veröffentlichen werde. Das lag nicht nur an den negativen Kritiken zur letzten Platte "Zeitgeist" der Band. "Wir hören damit auf, weil es keinen Sinn mehr hat. Die Leute hören sich die Alben gar nicht mehr komplett an. Sie legen sie auf ihren iPod ab, neben die beiden Singles und überspringen dann einfach den Rest." Das heiße aber nicht, dass es gar keine neue Musik der Band mehr geben werde. "Unsere Hauptfunktion wird nun aber darin bestehen, eine Singles-Band zu werden."
Die radikale Wandlung der "Pumpkins" steht im krassen Widerspruch zu anderen Bands, die sich das Albumformat nicht nehmen lassen wollen. Die Zerfaserung der Musik bei Download-Plattformen schmeckt vielen Künstlern nämlich gar nicht, sie sehen ihre Platten als Gesamtkunstwerk, das nicht zerteilt werden sollte. So wollten die Indierocker von "Radiohead" lange nicht bei iTunes mitmachen, weil es dort nicht möglich war, den Download von Einzelstücken zu verbieten. "Der Künstler muss die Wahl haben", hieß es von der Band im letzten Jahr. Inzwischen bietet iTunes die Möglichkeit, Alben nur im Paket zu verkaufen, wobei sich "Radiohead" nach einiger Überzeugungsarbeit nun doch auch für die Zulassung des Einzelverkaufs entschieden haben, weil die Kunden es so mögen.
Der Trend zum Single-Absatz übt zusätzlichen Druck auf die Einnahmenseite der Musikindustrie aus, die im Internet sowieso schon unter Kostenzwang steht. Verkaufte man früher eine CD für bis zu 16 Euro, hat sich inzwischen ein Einheitspreis von 9 Euro 99 pro Album etabliert. Geht auch dieses Format verloren, setzen die Labels nur noch Kleinbeträge um. Auch eine stärkere Konzentration auf Hits könnte die Folge sein. Konnte man mit dem Albenzwang auch einige experimentellere Stücke auf Alben unterbringen und sie an die Kundschaft bringen, wird das nun zunehmend schwierig - zumindest im Massengeschäft.
Corgan von den "Smashing Pumpkins" glaubt, dass der Trend zur Single auch die Arbeit einer Band verändert. "Wir werden immer noch kreativ sein, aber eben in einer anderen Form." Bislang operierten Rock- und Pop-Bands nach einem seit Jahrzehnten traditionellen Schema: Studioarbeit, Alben herausbringen und sie mit Hilfe von Singles bewerben, schließlich Touren. Bei großen Stars verschiebt sich dies inzwischen in Richtung Liveauftritte. Kein Wunder also, dass etwa Madonna kürzlich einen Vertrag in Höhe von 120 Millionen Dollar mit einem Event-Vermarkter abschloss. Der wird nun ebenso die Platten herausbringen wie sie auf die großen Bühnen der Welt holen - zu Ticketpreisen, die zunehmend in dreistellige Territorien wandern, wie Experten glauben. Das heißt auch, dass sich das Musikgeschäft weiter diversifiziert. Trends wie der Verkauf von Klingeltönen zu erstaunlich hohen Preisen sind da nur eine Alternative. So verkauft "Radiohead" inzwischen Rohmaterial seiner Songs über iTunes, die die Nutzer dann selbst mit Hilfe kostengünstiger Musikprogramme nach ihrem eigenen Geschmack abmischen können.
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