Slowakisches EU-Rettungsschirm-Votum: Klage gegen zweite Abstimmung
Das slowakische Votum für die Erweiterung des Rettungsschirms kommt vor Gericht. Der Vorsitzende der liberalen Partei SaS will die zweite Abstimmung anfechten.
Es war wohl der kürzeste Polit-Rückzug aller Zeiten. Am Freitag reichte die slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radicova bei Staatspräsident Ivan Gasparovic ihren Rücktritt ein. Ihre Koalitionsregierung war über die Abstimmung zur EFSF-Erhöhung gestolpert. Die hatte Radicova mit der Vertrauensfrage gekoppelt und verloren.
Doch kaum hatte Gasparovic den Rücktritt der ersten weiblichen Ministerpräsidenten der Slowakei angenommen, beauftragte er sie erneut mit der Regierung. Bis zu den Wahlen im kommenden Frühjahr wird Radicova nun ein Minderheitskabinett anführen.
Denn der Regierungspartner, der den Stein ins Rollen brachte, ist nicht mehr Teil des Kabinetts. Die Partei Freiheit und Solidarität (SaS) musste gehen, nachdem sie ihren Koalitionspartnern in den Rücken fiel und die erste EFSF-Abstimmung blockierte. Ihr Chef, der Neoliberale Richard Sulik, wurde am Donnerstag mit einer Mehrheit von 115 der 150 Parlamentsabgeordneten seines Amtes als Parlamentspräsident erhoben.
Politisch ist Sulik der größte Verlierer der Schlacht, die er selbst angezettelt hatte. Sein Posten ist weg, während die SaS immer weiter in die politische Bedeutungslosigkeit fällt. Ihre Prognosen sind schlecht, weil sie keines ihrer ambitiösen Wahlversprechen erfüllt hat.
Sulik gibt nicht auf
Untypisch für Sulik wäre es, wenn er aufgeben würde. Er plant jetzt, die zweite Abstimmung über die EFSF-Erhöhung gerichtlich anzufechten. "Eine zweite Abstimmung ist weder vom Gesetz noch von der Verfassung gedeckt. Das Parlament ist ein Puppentheater", wütete Sulik am Donnerstag in der slowakischen Tageszeitung Hospodarske noviny.
Während Sulik weiterkämpft, sind die Sieger der Euro-Schlacht klar. Da ist einmal Robert Fico, der gewiefte Oppositionsführer. Seine Partei, die sozialdemokratische Smer, hat die meisten Sitze im Parlament. Die Regierung stellt sie nicht, weil sie nach den letzten Wahlen im Sommer 2010 keinen Koalitionspartner finden konnte.
Der ersten EFSF-Abstimmung war die Smer ferngeblieben. Das Ziel: die Regierung Radicova zu stürzen und in der zweiten Abstimmung dann für den Rettungsschirm zu stimmen. Aber auch Radicova gehört zu den Siegern, auch wenn ihr leicht genervter Gesichtsausdruck anderes vermuten lässt. Der Soziologieprofessorin, die ihren Posten der Eurorettung geopfert hat, wird hoch angerechnet, dass sie etwas in die slowakische Politik gebracht hat, was ihr schon lange fehlt: Anstand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen