Skispringer Michael Uhrmann: Immer etwas tragisch umweht
Vor einem Jahr gewann er noch ein Weltcupspringen. Dann verletzte sich Michael Uhrmann schwer und kämpft heute um Anschluss an die Spitze.
INNSBRUCK taz Michael Uhrmann hatte geahnt, dass der Einbruch kommen würde. "Von schlechten Sprüngen geht die Welt nicht unter", sagte er deshalb schon vor der Vierschanzentournee. Und schaffte es dann auch bei den beiden ersten Springen nicht bis ins Finale. Traurig blickte er in Oberstdorf und Garmisch hinauf zum Schanzenturm, wo sich die 30 Besten bereitmachten, um um Weltcuppunkte und Tourneeplatzierungen zu kämpfen. Aber nach der ersten Enttäuschung hatte er sich schnell wieder gefasst. Es hätte nämlich durchaus noch viel schlimmer kommen können und Uhrmann hätte die Vierschanzentournee zu Hause vor dem Fernseher verfolgen müssen.
Beim Training zur WM in Sapporo Anfang vergangenen Jahres stürzte Uhrmann nach der Landung und erlitt einen komplizierten Trümmerbruch im Fuß. "Die Ärzte konnten lange nicht sagen, wie es mit dem Springen weitergehen kann. Die Verletzung war heikel", erinnert sich Bundestrainer Peter Rohwein. Uhrmann selbst sagt: "Ich bin froh, dass ich überhaupt wieder springen kann." Und dass dies nun sein Motto sei: trotz aller Rückschläge das Gefühl genießen, nach so einer schweren Verletzung wieder dabei sein zu dürfen im Weltcupzirkus. Irgendwann, so sagt der 29 Jahre alte Springer, werde er auch wieder an die Leistung anknüpfen, die er vor dem Sturz zeigte.
Die Sportlerfigur Michael Uhrmann umweht etwas Tragisches: Nicht nur, dass er 2006 bei den Olympischen Spielen um läppische 1,5 Punkte an einem Medaillenrang vorbeigesegelt ist, auch vor der WM 2007 befand er sich in glänzender Verfassung. Er hatte das Weltcupspringen in Oberstdorf gewonnen, kurz vor der WM schaffte er in Willingen Rang zwei. Das Training lief gut, Uhrmann hätte Chancen auf eine Medaille gehabt. Bis er in ein paar Schneebrocken im Auslauf raste und sich sein Fuß im Sprungschuh verdrehte.
Er ließ sich operieren, quälte sich durch die Reha und hoffte auf sein Comeback. Im September dann machte er seine ersten Sprünge - ohne zu wissen, ob es funktionieren würde. Es ging gut, die Schmerzen im Fuß waren erträglich. Schon beim Weltcupauftakt in finnischen Kuusamo war er wieder dabei, trotz Trainingsrückstand. Kurz vor Weihnachten in Engelberg wurde er Sechster, "man hat gesehen, dass er es kann", meint Rohwein. Doch bei der Tournee funktionierte auf einmal nichts mehr. Bei einem Trainingssprung in Oberstdorf schmerzte Uhrmann der Fuß, schon bei der Auftaktpressekonferenz gab er sich sehr zurückhaltend, sprach von fehlender Muskulatur im Bein und zu wenig Kraft beim Absprung.
In Garmisch-Partenkirchen wirkte er müde und zweifelnd. "Es sind immer so Wellenbewegungen. Manchmal klappts, manchmal nicht", seufzte er. Uhrmann sehnte eine Pause herbei, Experten erwarteten, Peter Rohwein würde dem geschwächten Athleten die beiden abschließenden Tourneestationen ersparen. Doch ungewohnt rüde wies er derlei Ansinnen zurück: "Man muss lernen, sich durchzubeißen. Man kann nicht sagen: ,Ich bin müde und deshalb kann ich nicht springen.' Wir haben eine Physiotherapeutin und einen Arzt dabei, da wird alles getan, um ihn fit zu kriegen."
Uhrmann hat den Ruhetag am Mittwoch zur Erholung genutzt und ist mitgereist nach Innsbruck. Dass am Bergisel zu viel Wind wehte, das Springen am Freitag abgesagt und auf Sonnabend und Bischofshofen verschoben wurde, hat ihm zusätzlich Erholungszeit verschafft.
Er habe schon gute Sprünge gesehen von Uhrmann in diesem Winter, versichert Rohwein. "Momentan entspricht seine Leistung nicht dem Niveau, das er drauf hat."
Rohwein hofft, Uhrmann lasse sich vom Erfolg des Teamkollegen Michael Neumayer mitziehen. Dessen Kreuzbandriss war zwar bei weitem keine so komplexe Verletzung wie Uhrmanns Trümmerbruch - doch Neumayers dritter Platz beim Neujahrsspringen könnte auch Uhrmann Auftrieb geben. "Er hat sich für Michael Neumayer unglaublich gefreut", sagt Rohwein. Und fügt an: "Uhrmann bekommt Zeit von uns, keine Frage."
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