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Skispringen im Grenzbereich

■ Der Norweger Espen Bredesen gewann das Neujahrsspringen vor Jens Weißflog, der nach zwei Springen der Vier-Schanzen-Tournee in Führung liegt

Garmisch-Partenkirchen (dpa)

Mit dem zweiten Platz im Rekordspringen am Neujahrstag auf der Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen verteidigte der 29jährige Jens Weißflog sowohl sein Gelbes Trikot im Gesamtweltcup mit jetzt 470 Punkten als auch die Führung in der Vier-Schanzen- Tournee mit 0,5 Zählern vor dem norwegischen Weltmeister Espen Bredesen. Der Osloer vereitelte allerdings Weißflogs zehnten Tagessieg und damit dessen fünften Erfolg in Partenkirchen bei der Traditionstour.

Bredesen nutzte am Samstag vor fast 25.000 Zuschauern die trotz wechselnder Winde guten Bedingungen zu Sprüngen von 105 und 111 m, womit er seinen eigenen Schanzenrekord aus der Qualifikation am Vortag um 1,5 m übertraf. Dafür bekam er 238,6 Punkte, 7,6 Zähler mehr als Weißflog. Der Oberwiesenthaler „Floh vom Fichtelberg“ ließ einem nicht so perfekten ersten Satz auf 104 m im Finale 110 m folgen, mit denen er für genau 55 Sekunden Schanzenrekordhalter war. „Espen sprang heute einfach besser. Mehr war nicht drin“, meinte Weißflog.

Dennoch wies er bei Tournee- Halbzeit alle Gedanken an den möglichen vierten Gesamtsieg und damit die einsame Spitzenstellung beim „Grand Slam“ der Skispringer noch von sich. „Vorrang hat eindeutig die Olympiavorbereitung. Die möglichen vierten Spiele haben mich in meiner endgültig letzten Saison noch einmal motiviert“, erklärt Weißflog, der für Pfingsten zu seinem Abschiedsspringen in Oberwiesenthal bereits Weltstars von einst und heute eingeladen hat.

Mit dem zwölften Platz bestätigte der Schwarzwälder Dieter Thoma seine aufsteigende Formkurve. „Obwohl meine Knieverletzung gut ausgeheilt ist, bin ich noch etwas zu vorsichtig. Ich habe im zweiten Sprung keine Telemark- Landung gezeigt, um auf alle Fälle sicher zu stehen. Das kostet eben sechs Punkte. Doch insgesamt macht mir das Springen jetzt wieder richtig Spaß“, bemerkte Thoma.

Für die beiden restlichen Springen in Innsbruck am Dienstag und Bischofshofen am Donnerstag können erneut spannende Duelle zwischen Weißflog und Bredesen erwartet werden, die bei Halbzeit bereits mehr als 25 Punkte Vorsprung auf den drittplazierten Österreicher Andreas Goldberger haben. Selbstbewußt verkündet Norge-Cheftrainer Trond Jöran Pedersen: „Olympiafavorit Nummer eins ist Espen Bredesen. Gefährden kann ihn in Lillehammer eigentlich nur Jens Weißflog.“

Sorgen bereiten den Veranstaltern die schweren Stürze, die bei der diesjährigen Vier-Schanzen- Tournee fast alltäglich sind. Die Ursache dafür liegt für die Experten vor allem in der extremen Vorlage sowie den immer komplizierter zu beherrschenden Sprungskiern. Im vergangenen Winter waren die Latten wegen des Leichtbaus und der Länge im Gespräch. Die dadurch auftretenden Probleme sind inzwischen durch neue Regeln weitgehend behoben. Jetzt geht es um die Bindungsmontage. Statt in der Mitte bringen viele Springer die Bindungen weiter hinten an. Bis zu 60 Prozent Vorderski erzeugen sie dadurch. Das erhöht die Auftriebskräfte, erlaubt extreme Flugpositionen und sorgt für ein größeres Luftpolster, birgt aber auch neue Gefahren in sich.

„Jeder Zentimeter mehr Vorderski bringt Weite. Doch sind die Bretter dadurch auch schwerer zu beherrschen. Selbst bei kleinen Fehlern können die Springer kaum mehr korrigieren“, sagt Weltcup- Koordinator Walter Hofer (Österreich) und erläutert die Risiken: „Der Druck auf die Skispitzen erhöht sich bei zu tief hängenden Ski blitzartig. Der Springer bekommt sie nicht mehr hoch – und das führt dann zu den Abstürzen.“

Seine Aussage wird durch eine halbjährige Untersuchung der Uni Graz bestätigt, die Aufschlüsse über die verschiedenen Wirkungsfaktoren beim Skispringen gibt und dem Weltskiverband FIS Hinweise bringen sollte, wie trotz des immer weiter verbesserten Materials die heutigen Schanzen ohne große Umbauten weiter genutzt werden können. Dabei wurde bewiesen, daß Ski und Körper jeweils zur Hälfte für den Auftrieb sorgen. Allein die heutigen modernen Sprunglatten bewirken 80 Prozent des Luftpolsters, das mit der Ausrüstung vor zehn Jahren vom gesamten Springer genutzt werden konnte. Neben den verbesserten Ski tragen auch die Anzüge weiter. So ist es kein Wunder, daß bei den meisten Schanzen lediglich noch zwei Drittel der Anlauflänge genutzt wird, weil nur mit der niedrigeren Anfahrtgeschwindigkeit die Sprungweiten in vertretbaren Grenzen gehalten werden können.

„Das Skispringen bewegt sich immer mehr auf einem ganz schmalen Grat. Die Aktiven agieren im Grenzbereich – und wenn dann die Konzentration nachläßt, reichen relativ geringe Beeinflussungen, um die Sprünge unkontrollierbar zu machen“, erklärt der frühere Bundestrainer Ewald Roscher die zunehmende Zahl schwerer Stürze, die es vor dem V-Stil in der Häufigkeit nicht gab.

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