Skirennen in St. Moritz: Ausfall im Schneefall
Maria Riesch fährt derzeit nicht besonders gut Ski, findet ihr Trainer. Dabei ist ihre Bilanz in St. Moritz gar nicht mal nur schlecht, sondern durchwachsen.
Die lange Wartezeit oben auf dem Berg hat Maria Riesch endgültig die Laune verdorben. Mehr als drei Stunden saß sie am Sonntag in der Hütte und hoffte, der Sturm, der über St. Moritz tobte, würde sich doch noch legen. Vergeblich, die Abfahrt im Engadin wurde am frühen Nachmittag abgesagt, und für die Deutsche war damit die Gelegenheit zur Wiedergutmachung dahin. Das Hochgefühl des vorangegangenen Wochenendes, als sie im Slalom von La Molina ihren ersten Sieg der Saison und den siebten ihrer Weltcup-Karriere feierte, ist erst einmal vorbei. Sie ist ernüchtert nach Rennen, die die 24-jährige Skirennläuferin aus Garmisch-Partenkirchen zurückwarfen anstatt vorwärtsbrachten. Zuerst hatte sie mit den Tücken der Piste zu kämpfen, später machte ihr dann eben der Wind einen Strich durch die Rechnung.
In der Superkombination am Freitag gelang die Schadensbegrenzung dank eines fulminanten Slaloms, der sie vom 25. Rang nach dem Super-G noch auf den vierten katapultierte. Tags darauf im Super-G erreichte sie das Ziel erst gar nicht, schied nach gut 25 Sekunden aus, weil sie eine zu direkte Linie wählte und deshalb die Kurve ins nächste Tor nicht mehr bekam. "Das war ein Besichtigungsfehler", analysierte sie. Cheftrainer Mathias Berthold fand obendrein: "Sie fährt derzeit auch nicht besonders gut Ski."
Natürlich bezog er dies auf die beiden Super-G-Rennen im Engadin, denn im Slalom fährt sie so exzellent wie noch nie, und im Riesenslalom schaffte sie in La Molina immerhin ihr drittbestes Ergebnis im Weltcup. Womöglich ist die neue Stärke im Torlauf aber zu Lasten der Paradedisziplin gegangen. Weil ihr im ersten Rennen in Lake Louise gleich einmal ein schwerer Fehler unterlaufen war, der den enttäuschenden 24. Rang zur Folge hatte, sah sich Maria Riesch wohl in St. Moritz besonders gefordert, diese Scharte auszuwetzen. Schließlich hatte sie im vergangenen Winter die Weltcup-Wertung im Super-G gewonnen.
Wenn du ein paar negative Erlebnisse in einer Disziplin hast, fehlt dir die Lockerheit", gibt Maria Riesch zu. Sportdirektor Wolfgang Maier sieht aber eher einen anderen Grund für den Fahrfehler. "Möglicherweise hat Maria tief in ihrem Innersten bei diesen Bedingungen immer noch eine kleine Sperre."
Schneefall und schlechte Sicht hatten tatsächlich einige Läuferinnen gebremst. "Eine ganz normale Reaktion", findet Maier, wenn man wie seine Vorfahrerin zwei Kreuzbandrisse hinter sich habe. "Daran muss sie arbeiten, um auch die letzten fünf Prozent Leistungsvermögen noch herauszuholen", sagt Maier. Die erst 17 Jahre alte Lara Gut kennt noch Furcht, sie empfand weder schlechte Sicht noch Schneefall als besonders störend und legte als erste Starterin eine Zeit vor, die niemand mehr knacken konnte und der Schweizerin den ersten Weltcupsieg einbrachte. Maria Riesch war in ihrem Frust nicht allein, sie konnte ihn teilen mit Lindsey Vonn. Für die Gesamtweltcupsiegerin des vergangenen Winters hatte sich der Ausflug ins Engadin noch weniger gelohnt. Während die Deutsche wenigstens noch mit der Ausbeute von 50 Punkten nach Hause fuhr, gab es für ihre amerikanische Freundin gar nichts zu holen.
Vonn erreichte weder in der Superkombination noch im Super-G das Ziel, und in der Abfahrt, in der sie derzeit fast als unschlagbar gilt, bekam sie dann keine Chance mehr zu punkten. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon zweimal hintereinander ausgeschieden bin", sagte die 24-Jährige, die noch als Führende im Gesamtweltcup in den Urlaub fuhr. Als ihre härteste Konkurrentin um die große Kristallkugel gilt seit den Rennen in Übersee Maria Riesch, obwohl die im Klassement nur auf Rang drei liegt. Das hätte sich an diesem Wochenende ändern sollen, und tatsächlich hätte Maria Riesch gute Chancen gehabt, auf den zweiten Platz vorzurücken, weil die noch vor ihr rangierende Finnin Tanja Poutiainen fast ausschließlich die technischen Disziplinen bestreitet und nicht nach St. Moritz gereist war. Die Profiteure des Wochenendes waren nicht Vonn und Riesch, sondern Poutiainen und vor allem Nicole Hosp aus Österreich, die nur noch zehn Punkte von Riesch trennen.
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