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Ski-WM der GeschäfteDas Silber der Alpen

In Schladming herrscht geschäftiges Treiben. Fragen nach den Kosten des alpinen Events gehen im patriotischen Taumel unter.

Das Spektakel zum Taumel: Rot-weiß-rote Lightshow. Bild: dpa

WIEN taz | Jahrhundertelang schlummerte das Fieber in den Adern der Schladminger, seit einigen Tagen aber grassiert es wieder. So ähnlich muss es vor vielen hundert Jahren gewesen sein, als die Knappen im Dachstein die Minen entdeckten, die von Silber Blei und Nickel schimmerten. Zur alpinen Skiweltmeisterschaft, die am Montag eröffnet wird, werden Touristenströme das Skistädtchen überfluten und genug Gold für eine Weile ablagern. Knapp 4.500 Bewohner leben in der Gemeinde, sie hoffen, dass auf jeden Kopf rund 1.000 Besucher kommen, genießen und zahlen.

1982 war schon einmal eine Ski-WM hier am Fuße des Dachsteins abgehalten worden. Jetzt wurde Schladmings Bahnhof renoviert, ein umweltfreundlicher E-Bus angeschafft, ein neues Hotel gebaut, die morsche Dachstein-Tauern-Halle abgerissen und durch ein modernes Congress-Center ersetzt. Die Verschuldung der Gemeinde stieg durch die Vorbereitungskosten der WM-Sause von rund 7 Prozent des Haushalts auf ungefähr das Doppelte. Die Stadt hat nach Angaben des Bürgermeisters Jürgen Winter rund 10 Millionen Euro in die WM-Vorbereitungen gesteckt.

Insgesamt belaufen sich die Investitionen auf rund 400 Millionen Euro. Rund 25 Millionen Euro spendiert die Republik Österreich, 141 Millionen das Bundesland Steiermark. Die Planai-Bergbahnen, auf deren Pisten die Bewerbe stattfinden, haben rund 70 Millionen Euro in Schneekanonen und Sicherheitseinrichtungen gesteckt. Schladmings Nightrace, ein Weltcup-Slalom mit rund 40.000 Besuchern, ist ein Fixpunkt des alpinen Skizirkus. Für die WM-Fanmassen wurde das Zielstadion neu ausgebaut. An diesem Punkt wird ein Riss sichtbar, der sich durch Schladming und die Ski-WM zieht.

Die dekorative, erst 2011 fertig gestellte Betonfalte „Loop“ im Zielstadion musste auf Druck des Veranstalters abgerissen und durch Tribünen ersetzt werden. Der Veranstalter ist der in Österreich beinahe allmächtige Österreichische Skiverband ÖSV, und sein Präsident Peter Schröcksnadel ist ein politisch bestens vernetzter, knallharter Geschäftsmann. Das Zielstadion aber gehört nicht dem ÖSV, sondern der Stadt Schladming und den Planai-Bahnen. Als deren Geschäftsführer Ernst Trummer Schröcksnadels Ansinnen ablehnte und alternative Pläne zur Überbauung des Loops vorlegte, wurde er kurzerhand geschasst.

Da die Planai-Bahnen (2011: Umsatz: 31 Millionen Euro, Cash-Flow: 7,4 Millionen) im Besitz der öffentlichen Hand sind, übernahm die Entlassung Trummers der für die Beteiligungen des Bundeslandes Steiermark zuständige Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhöfer. Trummers Entlassung erfolgte im Rahmen einer Pressekonferenz und sie war rechtsunwirksam, denn ihr lag kein Beschluss der Generalversammlung vor, wie ihn die Gesetze vorschreiben. Außerdem hatte der bürgerliche Politiker Schützenhöfer einen Vorwand für Trummers Entlassung vorgeschoben, der sich bald in Nichts auflöste. Die Affäre wurde bereinigt, Trummer erhielt sämtliche arbeitsrechtlichen Ansprüche abgegolten und eine Ehrenerklärung.

Doch Schröcksnadel hat seither freie Bahn, ließ ein den Planai-Bahnen gehörendes Haus abreißen, um Platz für weitere Tribünen zu schaffen. Er baute mit dem Stahlkonzern Voest einen Triumphbogen, das „Skygate“ in den Zielraum. Die Kosten für beide Aktionen belaufen sich auf rund 2,5 bis 3 Millionen Euro, sie werden von den Planai-Bahnen, also vom österreichischen Steuerzahler getragen. Auf Fragen zu den Vorgängen und Verträgen schweigen sowohl Skiverband als auch Schützenhöfer.

Der Verdacht liegt nahe, dass die austropatriotische Kommandoaktion Ski-WM auch zur Umleitung von Steuergeld in den Skiverband dient. Der ÖSV erhält zwar vom Weltverband FIS 35 Millionen Euro, aber es ist unklar, welche Ausgaben er damit deckt. Niemand weiß, wie viel die WM kostet. Der ÖSV verteilte ein Budget, in dem Prozentzahlen für die einzelnen Posten angegeben sind. Und das Organigramm der WM erinnert an eine Sonne. Alle Strahlen gehen vom Skifunktionär Schröcksnadel aus. Sogar das Controlling besorgt er selber.

Im 16. Jahrhundert erhoben sich die Schladminger Knappen im Zuge der Reformation gegen die Salzburger Obrigkeit. Wenn die Schladminger auf den Kosten sitzenbleiben und fremde Herrschaften mit dem unterm Dachstein gesammelten Silber abziehen, könnte sich im alten Bergbauernstädtchen wieder Unmut Luft machen.

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2 Kommentare

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  • A
    ama.dablam

    Schifoan is' des Leiwandste!!!

  • WH
    Willi Hörterer

    "Knapp 4.500 Bewohner leben in der Gemeinde, sie hoffen, dass auf jeden Kopf rund 1.000 Besucher kommen". 4,5 Millionen Besucher in zwei Wochen dürften selbst für Schladming zu viel sein, oder?