Skandal um Spaniens Konservative: Operation "Gürtel" sorgt für Furore
Spaniens Volkspartei (PP) wird von einem Korruptions- und Spitzelskandal erschüttert. PP-Chef Rajoy wittert einen Komplott der Sozialisten.
MADRID taz Spaniens Starermittler Baltasar Garzón schlägt wieder zu. Ganz im Stile des FBI erhielt seine neueste Operation einen Decknamen, "Gürtel". Dass ist die Übersetzung des Nachnamens des Hauptverdächtigen Francisco Correa. Der Unternehmer, der 20 Jahre lang für die konservativen Volkspartei (PP) Wahlkampfmeetings und andere Großveranstaltungen organisierte, soll dabei öffentliche Gelder für sich und andere Parteimitglieder veruntreut haben. Insgesamt wird gegen 37 PPler ermittelt. Correa und zwei seiner Komplizen sitzen in U-Haft.
Als wäre dies nicht genug, macht die PP in der Hauptstadtregion Comunidad de Madrid mit einem Spitzelskandal Schlagzeilen. Dort, so deckte die Tageszeitung El País auf, sollen ehemalige Polizeibeamte Informationen über Parteifunktionäre und hohe Amtsinhaber gesammelt haben. Knapp drei Wochen vor den wichtigen Regionalwahlen in Galicien und dem Baskenland droht die Volkspartei von Oppositionsführer Mariano Rajoy im Sumpf aus Korruption rund um den Bauboom des letzten Jahrzehnts zu versinken.
"Jedermanns Freund" nennt El País Francisco Correa. Bis 2003, dem Ende der Ära von José María Aznar, organisierte sein Unternehmen Special Events die großen Wahlshows der PP. Correa ging in der Parteizentrale in Madrid ein und aus. Als enger Freund von Aznars Schwiegersohn Alejandro Agag nahm er als Trauzeuge an dessen Hochzeit mit Aznars Tochter Ana teil. Die zweite Unterschrift unter die Heiratsurkunde tätigte kein Geringerer als Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi.
Correa wusste seine Kontakte zu nutzen. Sie öffneten ihm Tür und Tor in Regionen, Städten und Dörfern, die von den Konservativen regiert werden. So zog er millionenschwere Aufträge an Land wie in Majadahonda bei Madrid. Dort dekorierte ein Unternehmen Correas "die Räume des Bürgermeister für Familienfeiern", "errichtete einen Messestand" und lieferte "Schallplatten für Informationsstände". Die Rechnungen übertrafen, so die Ermittlungen, bei weitem die normalen Preise. Je länger Correa im Geschäft war, umso mehr Macht hatte er. "Wenn ich die Tonbandaufnahmen veröffentliche, die ich habe, ist es aus für ihn", sagte er über einen Bürgermeister, der ihm alle Wünsche erfüllte.
Auch andere in der PP versuchten in den vergangenen Jahren ihr Wissen um schmutzige Geschäfte einzusetzen. So deckte El País auf, dass ehemalige Polizeibeamte in der PP-regierten Comunidad de Madrid ausführliche Dossiers über hohe PP-Funktionäre und Amtsinhaber anlegten. Alles deutet darauf hin, dass die regionale PP-Chefin Esperanza Aguirre belastendes Material gegen ihre politischen Gegner sammeln wollte. Diese leugnet den Vorwurf.
PP-Chef Rajoy tritt derweilen die Flucht nach vorn an. Mehrere Bürgermeister wurden aus der Partei geworfen. In einer Rede bezichtigte er die Sozialisten, die PP ausschalten zu wollen. "Es handelt sich nicht um einen Komplott der PP, sondern um einen Komplott gegen die PP", wettert er. Als Beweis dient Rajoy ein Zusammentreffen von Justizminister Mariano Fernández Bermejo und Starrichter Garzón. Beide gingen just vor Bekanntgabe der Ermittlungen zusammen auf die Jagd.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden