Skandal um Eurovision Song Contest '68: Der ewige Zweite
Hat Spanien Cliff Richard 1968 um die Eurovisionskrone gebracht? Die Historie einer Popungerechtigkeit, die vielleicht auch gar keine war.
Die letztgültigen Beweise liegen noch nicht dem Tisch. Auch nach einer Dokumentation, die im spanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, ist nicht alles klar. Aber die Indizien besagen dies: 1968 organisierte das klerikalfaschistische Franco-Regime in Madrid einen europäischen Coup.
Es galt, das Image aufzubessern, am besten mit der publikumssattesten Plattform des Kontinents, dem Eurovision Song Contest. Zwar war Cliff Richard, ein Pop- und Teenagerstar in jener Zeit, für Großbritannien mit "Congratulations" am Start, er war haushoher Favorit, aber Massiels "La La La" sollte gewinnen. Also, sagen bereits unterfütterte Gerüchte, tingelten spanische Unterhändler durch die europäischen Grand-Prix-Länder und buhlten um Punkte. Gekaufte Punkte: Man soll den Erwerb von TV-Produktionen versprochen haben (Frankreich, Deutschland, Portugal), auch die Veröffentlichung von Musik in Spanien auf Heavy Rotation. Am Ende gewann die Spanierin tatsächlich - und hinterließ ein geschocktes britisches Publikum in der Royal Albert Hall in London. Zu ihrem Triumph trugen unter anderem auch sechs Punkte, von zehn möglichen, aus Deutschland bei, zwei Zähler nur gingen aus Frankfurt am Main an den in Indien geborenen Briten. Spanien konnte sich in der Tat ein wenig vom miesen Image befreien - das rechtsklerikale Land warb ein Jahr später beim Grand Prix Eurovision in Madrid mit seinen mediterranen Vorzügen gerade in touristischer Hinsicht.
Cliff Richard sagte nun dem britischen Guardian: "Würde sich das bewahrheiten, wäre ich der glücklichste Mensch, den man sich vorstellen kann." Und Massiel, die mit "La La La" einen Dusty-Springfield-haften, ziemlich guten Popsong im Stil der Zeit sang, kommentierte: "Das ist schon schräg. Ich war doch in Spanien als die Rote verschrien, als Linke, die mit den Franquisten nichts zu tun haben wollte."
Sollte aber Richard nun nachträglich, im Fall des Falles echt belegten Betruges, die Krone verliehen bekommen - 40 Jahre danach? Falsch! Er ist eine Legende, gerade weil eines der erfolgreichsten Eurovisionslieder nur den zweiten Rang schaffte. Und es wäre so, als ob man heute alle Dopinghelden von Sportlisten tilgen würde: Niemand kann das nachweisen, was medikamentös früher war (Carl Jones, Florence Griffith-Joyner und so weiter). Wichtig: Betrug ist beim Sport immer noch möglich, bei der Eurovision seit Einführung des Televotings nicht mehr. Die Zeit der - ehrenhaften oder käuflichen - JurorInnen wurde 1999 abgeschafft. Jetzt zählt, gut demokratisch: Ein Mensch, ein Anruf, eine Stimme.
Hätte das Reglement schon 1968 gegolten, wäre allerdings nicht sicher, dass Cliff Richard gewonnen hätte. Massiels Lied war ebenfalls in den Charts - und sie war bei ihrem Auftritt magisch wie nie: So eine hätte auch das Televoting ganz zu ihren Gunsten entschieden!
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