Sitz der "Süddeutschen Zeitung": Redaktion stichelt - und zieht um
Die "Süddeutsche Zeitung" räumt ihre Redaktion mitten in München und zieht aufs Land - nach mehr als 60 Jahren.
"Von Montag an kommt die Süddeutsche aus der Hultschiner Straße in Steinhausen, einem im Münchner Osten gelegenen Flecken, den idyllisch zu nennen, wir in der Redaktion noch zögern", hieß es im gestrigen "Streiflicht" in der SZ. Es ist das letzte aus der Sendlinger Straße im Herzen Münchens, wo die Geschichte der SZ am 6. Oktober 1945 begonnen hatte.
Dieses Wochenende zieht die Redaktion um, die Onliner machen am heutigen Samstag in der alten, verwinkelten Bude gleich um die Ecke von Viktualienmarkt und Mariannenplatz das Licht aus. Am letzten Produktionstag der gedruckten SZ im alten Haus - heute ist in Bayern zeitungsloser Feiertag - stapeln sich auf den Fluren Umzugskartons, werden letzte Aufkleber auf Computer, Bürostühle und Regale gepappt, die bedeuten: Wir kommen mit. Der Rest aus vielen Jahrzehnten Zeitungsgeschichte liegt schon zerschlagen in diversen Containern im Hof.
Der begnadete Polemiker und stellvertretende SZ-Chefredakteur Kurt Kister stichelt noch mal gegen den Umzug: Auf einem Grundstück in der teuersten Stadt Deutschlands sei es eben deutlich unwirtschaftlicher, eine Zeitung zu produzieren, als dort künftig "Damenstiefel oder Kaschmir-Sweater anzubieten". Die Altverleger der SZ, die den Verkauf schon vor Jahren durchzogen, seien dagegen fein raus: Denn sie haben bis auf einen anschließend auch ihre SZ-Anteile verkauft und müssten nun "nicht mehr zum Arbeiten, geschweige denn an den Stadtrand", schreibt Kister unter dem Titel "Marktplatz ohne Zeitung". Der SZ-Käufer, die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), hat dagegen mit Hochhäusern am Stadtrand Erfahrung: Ihre Stuttgarter Blätter mussten schon vor Jahren raus aus der Innenstadt - und residieren heute wirklich in der Pampa. Wichtiger als der Umzug dürfte für die SZ aber werden, was der öffentlichkeitsscheue SWMH-Geschäftsführer Richard Rebmann sich bei den Münchner Medientagen dann doch aus der Nase hatte ziehen lassen: Zwar schreibt man schwarze Zahlen, es gibt auch keinen Einstellungsstopp wie bei vielen anderen Verlagen. "Es wird aber deutliche Rückgänge geben", so Rebmann: "Wenn man zwei, drei Jahre gute Konjunktur hatte, setzt man Polster an", sprach der Boss: "Die müssen jetzt abgeschnitten werden." Zu Details wollte sich Rebmann aber nicht äußern: "Ich kümmere mich lieber um die Auflage. Interviews kosten einfach zu viel Zeit." STEFFEN GRIMBERG
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