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Sinologin über Peking als Geldgeber„Chinas Bonus ist verspielt“

Die Volksrepublik ist der größte Geldgeber weltweit. Bei dem Kapital geht es um Einfluss in Entwicklungsländern, erklärt die Sinologin Nora Sausmikat.

Kenia hat sich von China eine Bahn bauen lassen – und ist entsprechend verschuldet Foto: Thomas Mukoya/reuters
Felix Lee
Interview von Felix Lee

taz: Frau Sausmikat, westliche Politiker warnen vor der zunehmenden finanziellen Abhängigkeit vieler Länder von China. Zu Recht?

Nora Sausmikat: Das ist schwer zu beantworten. Die institutionelle Finanzarchitektur in China sowie die Vergabepraxis unterscheiden sich von traditionellen westlichen Gebern. Oft ist unklar, zu welchem Zweck die Gelder vergeben werden. Auch die Frage, zu welchen Konditionen sie vergeben werden, wird oft nicht beantwortet. Fakt ist: Laut Institut für Weltwirtschaft schuldete die Welt China Ende 2017 mehr als 5 Billionen US-Dollar. Seit 2009 ist die Volksrepublik größerer Kreditgeber als die USA. Die chinesischen Kredite haben vielen Ländern geholfen, zugleich aber dazu beigetragen, dass Länder, die vorher schon verschuldet waren, in eine noch größere Schuldenkrise geraten sind.

Was hat das für die betroffenen Länder für Folgen?

Sie werden abhängig. Dschibuti etwa ist bei China mit 1,4 Milliarden Dollar verschuldet. Das entspricht zwei Drittel der Wirtschaftsleistung. Oder Sri Lanka: Das Land musste unlängst seinen Hafen an ein chinesisches Staatsunternehmen abtreten. Zwölf Staaten haben heute Zahlungsschwierigkeiten und sind kaum in der Lage, die Kredite an China zurückzuzahlen. Staaten wie Simbabwe, Mosambik oder Südsudan sind praktisch zahlungsunfähig. Natürlich sind das kumulierte Schulden, die nicht nur auf Chinas Konto gehen. Aber die Kreditvergabe der Chinesen verschlimmert eben die Situation. Zugleich aber – und das muss auch betont werden – betreibt China Entschuldungspolitik.

Im Interview: Sinologin Nora Sausmikat

55, ist China-Expertin. Seit 2019 arbeitet sie für die Nichtregierungsorganisation Urgewald.

In welcher Form?

China hat gegenüber 59 Ländern insgesamt 45 Milliarden Dollar umgeschuldet, wie eine unlängst erschienene Studie von erlassjahr.de darstellt. 9,4 Milliarden Dollar davon wurden sogar komplett erlassen.

Knüpft China eine solche Entschuldung an politische Bedingungen?

Offiziell wird das natürlich abgestritten. De facto ist es aber so, dass politische Bedingungen gestellt werden. Viele dieser Nehmerstaaten sind ja auch keine demokratischen Staaten. Letztendlich sind es die in diesen Ländern herrschenden Eliten, die ihre Länder in den Ruin treiben. Sie sind oft korrupt und setzen die Kredite für eigene Zwecke ein. Das führt dazu, dass diese Kreditkrisenspirale aufs Äußerste gespannt wird. Chinas politischer Einfluss ist in diesen Staaten extrem hoch.

Oft heißt es: Viele Länder würden die chinesischen Kredite deswegen annehmen, weil China anders als die Länder des Westens keine Bedingungen stellt und sich auch politisch nicht einmischt. Stimmt das?

Nein, das würde ich nicht so sagen. Viele chinesischen Kredite sind keine gezielte Entwicklungshilfe, sondern kommerziell. Diese Unternehmen sind in vielen dieser Staaten jedoch sehr eng mit der herrschenden Elite verwoben.

Was halten die Menschen in den betroffenen Ländern von Chinas Investitionen?

Pakistan ist ein Beispiel dafür, wie sehr die Bewertung der Bevölkerung und die der Regierung auseinandergeht. Das offizielle Narrativ ist chinafreundlich. Im Zuge der Baumaßnahmen im Hafen von Gwadar, als es kein Trinkwasser mehr gab, kam es dort aber zu Gewalt und Übergriffen auf chinesische Arbeiter. Ähnliches hört man auch aus anderen Ländern.

Eine koloniale Vergangenheit haben die Chinesen, anders als die Europäer, in diesen Ländern aber nicht.

Das war der Bonus, den China in den nuller Jahren als neuer Entwicklungsfinanzier in den Staaten des Globalen Südens hatte. Nach den negativen Erfahrungen, nicht zuletzt mit dem IWF und der Weltbank, kam ein Akteur, der ohne postkoloniale Einstellung Kredite vergab. Inzwischen gibt es in vielen afrikanischen Staaten ein Umdenken. Chinas Hilfe ist eben nicht selbstlos. Und wenn die Investitionen nicht den erwünschten Gewinn abwerfen, kann es auch von chinesischer Seite zu drakonischen Strafen kommen. Dieser Bonus, den China anfangs noch hatte, ist inzwischen auch schon verspielt.

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2 Kommentare

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  • Der Einfluss und die damit verbunden Unverzichtbarkeit waren und sind das Kalkül der postkommunistisch China-Führung, welches sie bewogen hat, als globaler Kreditgeber aktiv zu werden. Aber inwieweit die damit verbunden Forderungen, z. B. gegen westliche Schuldner (vor allem die USA), den besagten Effekt haben, den viele Beobachter unterstellen, darf bezweifelt werden. Hier ist die Lage sehr komplex bzw. verworren. Für Kreditnehmer aus der zweiten und dritten Welte hingegen, da hat Frau Sausmikat absolut recht, führten und führen die Verpflichtungen in Abhängigkeit zu China. Dieter Müller hat sich in seinem Buch "Machtbeben: Die Welt vor der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten" sehr aufschlussreich mit der Thematik beschäftigt.

  • Eine Expertin, die sich wider besseres Wissen vor allem als Haar-in-der-Suppe-Sucher gebärdet. Die Auslandsschulden Sri Lankas gehen z.B. zu ganzen 3% auf chinesische Investitionen zurück, den Hauptteil bilden Schulden bei westlichen Ländern, aber man spricht ungeniert von der chinesischen Schuldenfalle. China schuldet um, stundet oder erlässt Schulden, auch das unterscheidet m.E. Chinas Investiionspolitik von der des Westens.



    China investiert vor allem in Infrastukturprojekte, Bildung und Gesundheitswesen - Europa in Militär zur Abwehr der Flüchtingsströme. So stehen 4500 französiche Soldaten in der Sahelzone - natürlich auch zur Absicherung der Ausbeutung der Uranvorkommen in Niger und anderswo. Auch wenn das eine oder andere Projekt Probleme bereitet, so könnte der Unterschied in der Investitionspolitik zwischen den alten imperialen und kolonialen Mächten und der VR China kaum größer sein. China strebt eine Politik einer Gemeinschaft der Menschen mit geteilter Zukunft an, so der offizielle Tenor. Kann man ignorieren, sollte man aber nicht.