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Sind Sie glücklich?„Ich bin froh, daß ich allein bin“

■ 11 Uhr, Wittenbergplatz. Um jeden Schwulen, der an Aids gestorben ist, ist es schade, „aber Hauptsache, ich lebe“, meint der Barkeeper H.G. Eskes

„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz um. Heute stehen wir auf dem Alexanderplatz.

Der 59jährige Barkeeper H.G. Eskes: Die Frage kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Ich bin gesund und zufrieden, mehr braucht man doch nicht zum Leben. Ich habe gar nicht so viele Finger, um aufzuzählen, wie viele Freunde und Bekannte von mir in den letzten Jahren gestorben sind. Die meisten an Aids, das ist doch ganz normal in der Gay- Szene. Auch Leute, die noch ganz jung waren und viel Geld hatten. Und was hatten die davon? Nichts! Da kann ich doch froh sein, daß ich in meinem Alter noch gesund bin. Einmal reicht doch, um sich zu infizieren. Ich hatte einfach Glück, denn vorsichtig war ich nie.

Um jeden, der weg ist, ist es schade, aber im Endeffekt ist es mir egal. Hauptsache, ich lebe, oder? Ich bin ein bißchen abgebrüht. Ich sehe nur Elend rings um mich herum. Die vielen Stricher, die mit 18, 19 Jahren durch Drogen hopsgehen. Das ist in Berlin ganz schlimm, aber es scheint keinen Menschen zu kümmern. Aus Österreich, Rumänien, Rußland, Polen und der Türkei – von überall kommen die Jungs her. Die können nur zwei Worte: „hundert Mark“. Wenn die einmal in der Szene die Runde gemacht haben, nimmt sie keiner mehr mit, weil sie wie ein Holzbrett im Bett liegen. Ich bin Holländer und komme ursprünglich aus Appeldoorn. Mich hat es 1967 durch einen Kumpel, den ich in Schweden kennengelernt habe, nach Berlin verschlagen. Seit 17 Jahren arbeite ich in einem Szene-Lokal als Barkeeper.

Ich bin froh, daß ich allein bin. Wenn man keinem Menschen gehört, hat man auch keine Probleme. Ich will nie wieder in meinem Leben mit jemanden zusammen leben. Für wat? Das gibt nur Ärger. Für mich ist Glück, jeden Tag aufzustehen, und die Sonne scheint, und ich bin gesund. Natürlich muß ich auch eines Tages gehen. Aber bis dahin werde ich es mir gutgehen lassen. Hauptsache, ich hänge keinem auf der Pelle. Ich möchte mit niemandem tauschen. Plutonia Plarre

wird fortgesetzt

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