Sind Sie glücklich?: „Der Arzt rät: Rauchen Sie ruhig weiter“
■ 11 Uhr, Wittenbergplatz. Immer wenn er hustet, hat Günter Konarski Schmerzen in den Rippen. Aber glücklich ist er bei einer Zigarette zum Cappuccino
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich jeweils um 11 Uhr abwechselnd auf dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz um.
Der 87jährige Rentner Günter Konarski: Nee, ich hab' Schmerzen in der Brust. Ich soll mir vom Husten meine Rippen gebrochen haben. Die Ärtze wollten zuerst einen Preßverband machen, haben sie gesagt, aber dann krieg' ich keine Luft, weil's zu eng ist. Wenn ich huste, tut es richtig weh. Natürlich dürfte ich nicht rauchen. Aber meine Ärtzin hat gesagt: Rauchen Sie mal ruhig weiter. Ich glaub', wenn ich jetzt Nichtraucher würde, würd' es mir noch schlechter gehen. Ich rauche seit Rußland 1942, seit dem Krieg, seitdem ich Angst hatte. Da haben die Leute gesagt: Nimm 'ne Zigarette, das hilft einem ein bißchen drüber weg. Wenn ich gerade nicht huste, geh' ich ein bißchen was einholen. Meine Frau liegt zu Hause im Bett, und ich koche dann. Wir sind nun seit 40 Jahren verheiratet, 40 Jahre... Aber meine Kinder sind aus erster und zweiter Ehe, die sehe ich nicht mehr. Wenn man geschieden ist und die Kinder beim andern sind, ist man immer der Deibel. Manchmal erinnere ich mich bewußt an die Vergangenheit zurück, manchmal kommt eine Erinnerung, weil ich was geträumt habe. Erlebt hab' ich ja schon einiges. Als ich geboren wurde, da gab's noch 'n Kaiser. Gelernt hab' ich vor dem Krieg kaufmännischer Angestellter in einem der größten Hotels, im Europäischen Hof an der Dorotheenstraße. 1954 bin ich aus der Gefangenschaft gekommen – und 18 Jahre 'n Bus gefahren. Gut geht es mir eigentlich, wenn ich hier sitze, einen Cappuccino trinke und eine Zigarette rauche. In die vollen kann ich nicht nicht mehr gehen, Alkohol trinke ich schon seit 26 Jahren nicht. Aber wenn ich hier sitze, geht's mir gut. Das Rauchen macht mir immer noch Spaß. Basil Wegener
Heute stehen wir auf dem Alexanderplatz.
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