Sind Sie glücklich?: „Ich bin Waage, ich bin ausgeglichen“
■ 11 Uhr, Wittenbergplatz. Der Maurer Peter Koppermann war am glücklichsten, als er seinen Mercedes gekauft hat. Der Bauarbeiterstreik ist für ihn wie Urlaub
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und dem Alexanderplatz um.
Der 40jährige Peter Koppermann: Ja, ich bin glücklich. Ich bin Waage, ich bin ausgeglichen. Mich macht die Situation glücklich. Harmonie und alles. Die Harmonie kommt von der Familie, der seelischen Zusammensetzung. Wir verstehen uns alle zusammen. Ich bin verheiratet und habe ein Kind. Meine Frau, ich hab' ja die zweite jetzt, die hat noch einen Sohn mitgebracht, und das harmoniert alles noch. Glück heißt für mich, daß alles zusammenpaßt, und Zufriedenheit.
Was mich zufrieden macht? Keine Ahnung. Am glücklichsten war ich vor zwei Jahren, als ich mir einen Mercedes gekauft habe. Vorher gab es nix, was mich ähnlich glücklich gemacht hat. Ich hatte keine glückliche Kindheit. Das lag am Vater. Wir waren vier Kinder zu Hause. Ich war der Älteste. Er hat uns traktiert mit Prügeln für nichts. Hauen tue ich meine Kinder nicht, dafür hab' ich sie zu lieb. Mehr wie schimpfen kann ich nicht.
Ich bin noch damals, zu Ostzeiten, gekommen, es hat sich viel geändert. Man kann nicht sagen, daß ich damals weniger glücklich war. Man muß so durch. Der Bauarbeiterstreik hier ist wie Urlaub. Ein bißchen rumgammeln. Der Unterschied ist, daß ich im Zelt keine Bräune kriege. Ich mache am Streik mit wegen der Zukunft und auch für die Kinder. Das ist für mich das Wichtigste. Ich habe aber keine Angst, die Arbeit zu verlieren. Ich finde immer was. Ich hab' schon früher im Osten als Maurer gearbeitet. Streiks gab's da nicht, da gab's auch Arbeit. Wir mußten mit dem zurechtkommen, was wir hatten. War eigentlich auch nicht schlecht. Wenn ich wütend bin, maure ich, um meinen Frust rauszulassen. Eigentlich macht mich aber nichts wütend. Barbara Bollwahn
Heute stehen wir auf dem Alexanderplatz
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