Sind Sie glücklich?: „Viele können nicht mit dem Tod umgehen“
■ 11 Uhr, Wittenbergplatz: Anja Heusen ist nach dem Tod ihrer Mutter allein. Die Arbeit in der Schule mit Kindern gibt ihr Auftrieb
„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Alexanderplatz und dem Wittenbergplatz um.
Die 27jährige Erzieherin Anja Heusen: Im Moment bin ich nicht glücklich, weil im Januar meine Mutter gestorben ist. Zu meinem Vater hatte ich seit 14 Jahren keinen Kontakt. Erst zur Beerdigung habe ich ihn wieder gesehen. Meine Mutter war praktisch meine einzige Familienangehörige. Sie war vier Jahre lang krebskrank. Ich bin wieder zu ihr gezogen, um sie zu pflegen. Vorher hatte ich eine Studentenwohnung. Die ersten Jahre ging es noch mit der Krankheit meiner Mutter. Ganz schlimm ist es im letzten Jahr gewesen. Sie hat fünf Monate im Krankenhaus gelegen. Ich mußte zusehen, wie meine Mutter litt.
Eine eigene Familie habe ich noch nicht. Auch keinen Partner. Und Freunde kann man ja heutzutage an den Fingern abzählen.
Was mir im Moment Auftrieb gibt, ist meine Arbeit. Ich arbeite in einer Grundschule in Wilmersdorf. Und zwar in einer Schulstation, ein vom Arbeitsamt gefördertes Projekt. Bei uns können verhaltensauffällige Kinder, die im Unterricht nicht mehr klarkommen, ihre Aggressionen spielerisch oder durch Gespräche bewältigen. Leider habe ich nur eine ABM-Stelle, nichts Festes. Es ist kein Geld vorhanden, so ein wirklich wichtiges Projekt zu erhalten.
Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich eine Sterbebegleitung, die mir sehr viel geholfen hat. Die Leute von der Hospiz begleiten Sterbende, die wenig Angehörige haben, in den Tod. Aber heutzutage wissen viele gar nicht, wie sie mit dem Tod umgehen sollen. Sie ziehen sich zurück, um nichts falsch zu machen. Das habe ich sehr viel erlebt. Es gibt auch andere, die gern helfen wollen, aber nicht wissen, wie. Aber meine Freundin hat mir sehr geholfen. Marina Mai
Heute stehen wir am Alexanderplatz.
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