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Siegeszug der Musikerin SantogoldSchwarz auf Weiß

Kommentar von Sonja Eismann

Die afroamerikanische Musikerin Santogold aus Brooklyn betreibt auf ihrem Debütalbum mitreißend und gekonnt Genre-Bending zwischen Dub, Elektro, Punk und Wave.

Santogold nimmt den Scheiß auseinander. Bild: craig weatherby

Santogolds bürgerlicher Name wirkt wie eine ironische Prophezeiung: Die afroamerikanische US-Musikerin, die bereits jetzt als heißeste Neuentdeckung des Jahres 2008 gefeiert wird, heißt eigentlich Santi White. In einem amerikanischen Musikblog beschwert sich ein User darüber, noch nie von dieser "Sandy Black" gehört zu haben, von der jetzt überall die Rede sei. Damit spielt er auf das Gerücht an, die übertrendige Santogold mache schwarzen Rock für Weiße. Oder weiße Musik in schwarzer Verpackung.

Trotz der Möglichkeit eines nichtweißen US-Präsidenten am Ende diesen Jahres scheint das Genre-Bending zwischen wavig-punkigen 80er-Jahre-Sounds à la Devo, The Cure und The Smiths und tanzbodenlastigen Stilen wie Dub, Reggae und Refugee-Elektro immer noch als unvereinbares Kontrastspielchen zwischen Schwarz und Weiß gelesen zu werden.

Santi White, deren ungerührte Verquickung verschiedenster Einflüsse Kritik und Fans schon Monate vor dem Erscheinen ihres ersten, selbstbetitelten Soloalbums in Sphären der Verzückung katapultierte, ärgert diese essenzialistische Rezeption maßlos. Im Interview mit dem HipHop-Magazin Vibe mag sie, die ihre Gesangsvorbilder mit Nina Simone und HR von der afroamerikanischen Punkband Bad Brains angibt, nicht glauben, dass ihre Angehörigkeit zur Black Community in Frage gestellt wird, nur weil sie im Video zur Single "L.E.S. Artistes" auf einem Pferd reitet. Jeder wisse, dass Schwarze keine verdammten Pferde ritten, wütet "Sara" im Gossip-Blog perezhilton.com. "Wie beschränkt kann man sein?", kontert Santogold und betont, dass sie dagegen sei, Musik in Farbkategorien zu denken. "Mit meiner Musik will ich diesen Scheiß auseinandernehmen."

Um Farbgrenzen hat sich die aus Philadelphia stammende, nun in Brooklyn lebende Musikerin ohnehin nie gekümmert: Als Tochter eines aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Vaters, der sich als Rechtsanwalt bis zum Berater des Bürgermeisters von Philadelphia hocharbeitete, war sie das einzige schwarze Kind in einer Privatschule.

Als ihre Mutter eines Tages einen Anruf bekam, dass ihre Tochter mit ihrer Clique der "Fearsome Five" andere Kinder terrorisiere, soll die nur geantwortet haben: "Na und? Meine Tochter ist die einzige Schwarze an der Schule. Ich bin froh, dass sie gut integriert ist."

Nach ihrem Studium karibischer und westafrikanischer Drum-Techniken am renommierten Wesley College jobbte sie bei der Plattenfirma Epic, schrieb Songs für die R-n-B-Musikerin Res und war Teil der Punkband Stiffed. Nach deren Auflösung begann Santogold mit dem Bassisten der Band, John Hill, Material für ein Soloalbum zu schreiben. Darauf gab es mehrheitlich am Computer programmierte, dubbige Drum- und Synthiesounds zu hören. Weitere Mitstreiter und Produzenten: die Rapperin M.I.A. (mit der Santogold immer wieder verglichen wird), Diplo, Switch, Spank Rock aus der umtriebigen Baltimore-Szene und natürlich Santogolds snowboardender Boyfriend Trouble Andrew.

Mittlerweile ist Santi bereits im Vorprogramm von Björk aufgetreten, hat mit den Winehouse-Produzenten Mark Ronson, Lily Allen und Ashlee Simpson gearbeitet und Kanye West ist angeblich auch ihr Fan. Und wenn sie dann noch dazu beitragen kann, dass überflüssige Farbdichotomien aus unserem Verständnis von Pop gekickt werden, ist ihr der Platz in der Musikgeschichte sowieso sicher.

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2 Kommentare

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  • T
    Thom

    Verlinkt ihr eure Artikel eigentlich nach Hautfarbe oder warum verweist der Teasertext von Wallraff hierher???

  • JS
    Jonas S.

    Töricht, wer einem Hautton eine Musikrichtung zuordnet. Sowohl in Bezug auf Mensch als auch auf Musik sind "genres" wohl eher statistische Hilfsmittel um Kategorien für den ebenfalls fiktiven Mainstream zu erschaffen. Das ist bloße Marktwirtschaft, diese ist im vergleich zu Mensch und Musik neu, ebenso die mentalität Grenzen zu ziehen, in Bezug auf die beiden "M-Words"! "Mitreißend und gekonnt Genre-Bending" zu betreiben könnte hingegen auch heissen "Das machen worauf man Bock hat"; denn trotz der Grenzen, in den Köpfen und im Atlas, wird der Atlas durch Marktwirtschaft und Musikindustrie wirderum so klein, dass jeder jeden Einfluß, bei Interesse, aussuchen kann. Warum sich also wundern über Genre-Bashing (oder wie hieß das tolle wort?) Globalize it, don´t criticise it: Wenigstens in der Kunst macht globalisierung Spass. Das ist doch was! Wer denkt East Coast Hardcore sei "weiss", dem sei die Band "Bury Your Dead" empfohlen, wer sich noch an Crossover erinnert, erinnert sich auch an "Sevendust", und Dave Chapell lehrt uns, die Stromgitarre sei für den "Weissen Mann"...