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Siegel für nachhaltige TierhaltungNeue Aufkleber für Hähnchenfleisch

Vier Pfoten zeichnet Hersteller aus, die Tieren mehr Platz und mehr Lebenszeit bieten. Das Ziel: Mehr Kunden und Landwirte für nachhaltige Tierhaltung gewinnen.

Zeit wird's: Mit einem neuen Siegel sollen mehr Konsumenten und Landwirte für nachhaltige Tierhaltung gewonnen werden. Bild: dapd

BERLIN taz | Ein neues Siegel soll den Kunden dazu bewegen, tierfreundlich produziertes Fleisch zu kaufen. Ab Montag wird es zunächst auf Hähnchen kleben, die in der Supermarktkette Kaufland in Nord- und Ostdeutschland angeboten werden, ab 2013 ist der bundesweite Vertrieb geplant.

Entwickelt hat das Etikett „Tierschutz – kontrolliert“ die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“, als erster Produzent nutzt es das niederländische Unternehmen „Plukon Food Group“. Die Kennzeichnung von Schweinen und Rindern sowie die Unterstützung weiterer Einzelhandelspartner sollen folgen. Ziel ist es, das Fleisch irgendwann europaweit mit dem Tierschutzaufkleber zu vertreiben.

Mit dem Label sollen Firmen ihre Schnitzel und Keulen kennzeichnen, die ihren Tieren von der Aufzucht bis zur Schlachtung bessere Bedingungen bieten, als gesetzlich erforderlich sind. Dabei sind zwei Stufen vorgesehen.

In der Einstiegsstufe werden die Hähnchen weniger schnell gemästet als in der industriellen Tierhaltung, sie erhalten zudem mehr Platz und werden in weniger großer Enge zum Schlachthaus transportiert. Eine zweite, die Premiumstufe, verschärft diese Anforderungen: Sie verlangt beispielsweise begrenzte Größen der Tiergruppen sowie Auslauf im Freien für die Hähnchen.

Raus aus der Nische

Ziel sei, über eine weniger strenge Einsteigerstufe möglichst viele Betriebe zum Umstieg auf tierfreundlichere Produktion zu bewegen, sagt Sabine Hartmann von Vier Pfoten. Sie schätzt, dass die Hähnchen aus der Einsteigerstufe rund 30 Prozent teurer sind als die Konkurrenz aus der konventionellen Tierhaltung.

Die Organisation folgt mit ihrem Label dem Beispiel des Deutschen Tierschutzbunds. Der hatte erst im Oktober das Siegel „Für mehr Tierschutz“ vorgestellt, das ab 2013 zum Einsatz kommen soll. Damit macht er der eingeführten Marke „Neuland“ aus dem eigenen Hause Konkurrenz. Begründet hatten die Tierschützer das damit, dass sowohl ökologisch wie auch nach den weniger strengen Neuland-Kriterien erzeugtes Fleisch zu teuer sei, um aus der Nische herauszutreten.

Zudem müsse man die Landwirte da abholen, wo sie seien. Mehr Kunden und Landwirte für nachhaltige Tierhaltung gewinnen: Das möchten Vier Pfoten und Tierschutzbund mit ihren neuen Etiketten erreichen. Bisher wird Biofleisch in einer kleinen Nische gehandelt. Laut dem Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft hatte es 2011 einen Marktanteil von 1,1 Prozent, Schweinefleisch aus Ökoproduktion sogar nur 0,6 Prozent.

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9 Kommentare

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  • KS
    Karl Sauer

    Ein Fleischsiegel von einer angeblichen Tierschutzorganisation?? Das kann nicht angehen. Entweder versuche ich Tiere zu schützen oder nicht. Eine humanere Tötung kann es genauso wenig geben wie es eine weichere Vergewaltigung gibt. Dem Tier ist es egal ob es ein Fleischsiegel gibt oder nicht, es möchte einfach nur Leben. Hat sich 4 Pfoten jetzt auch schon an die Industrie verkauft? Sieht so aus.

    Schade....

  • EP
    Elisabeth Petras

    Tierschutzorganisationen sind in der Regel vertrauenswürdiger als die Branche selbst, die ja oft irreführend wirbt.

     

    Dennoch: Selbst NEULAND ist zwar besser als konventionell - aber oft keine artgerechte Tierhaltung.

     

    Wer Tiere hält, sollte es richtig tun - oder es bleiben lassen. Mein Vater hat Tiere gehalten und geschlachtet. Wir Kinder lernten nebenbei die Bedrüfnisse der Tiere kennen.

     

    Die derzeit übliche Tierhaltung führt flächendeckend zu kranken Tieren. Krankheit ist Regel, nicht Ausnahme (AKS, Lungenschäden, Fußballendermatitis, MRSA, Campylobakter....).

     

    Früher habe ich gern Fleisch gegessen. jetzt nicht mehr.

     

    Auch dem Tierschutzsiegel traue ich nicht zu, dass es mehr als minimale Verbesserungen bringt. Vielleicht reicht das einigen und schlecht ist es sicher nicht.

     

    Ich will mehr - und lebe seit 20 Jahren vegetarisch.

  • P
    Pazuzu

    Liebe Frau Hackleton,

    bitte überdenken Sie den Vergleich von Mastbetrieben und KZs. Das ist pietätlos und vor allem das schlechteste, weil undurchdachteste und polemischte Argument irgendjemanden zum Vegetarismus zu bewegen.

  • T
    T.V.

    Sachlich reden lässt sich über das Thema erst an dem Tag, an dem Leiharbeit Tierquälerei genannt wird. Nicht solange sich Mensch für besseres hält.

  • D
    Dhimitry

    Ich finde es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist in Deutschland zur Zeit nicht zu erwarten, dass Menschen völlig auf ihren Fleischkonsum verzichten. Daher ist es besser, wenn mehr Tiere weniger gequält werden.

     

    Wer hingegen Hoffnung auf eine vegetarische Revolution hat, muss sich nur mal mit ein paar Werder-Bremen-Fans über das Leiden der Wiesenhof-Hähnchen unterhalten. Da ist man ganz schnell desillusioniert.

     

    Daher, besser langsam in die richtige Richtung, als konfrontativer Stillstand!

  • AH
    ashley hackleton

    Tierschutz kann nur heißen, die Tiere vor ihrer Ermordung zu schützen, alles andere ist Tierqualbegleitung.

     

    Dieses Label ist eine vielleicht gut gemeinte Camouflierung der grauenvollen Gefangenschaftsbedingungen in der Tierindustrie.

     

    Demnächst wird sich der "Hersteller" hinstellen und sich mit dem Verweis auf das "Tierschutzlabel" von aller Schuld reinwaschen: Wieso, ist doch alles in Ordnung oder, sogar mit Tierschutzlabel ?!

     

    Es wird dann also einen Standard für tierische Luxussklaven geben: einen Tick weniger grausam gezüchtet, aber doch nachhaltig zu Tode gebracht.

     

    Kommt mir irgendwie vor wie das sorgsam gepflegte Blumenbeet vor dem KZ: sieht einfach besser aus, ohne an den Grundtatbeständen etwas zu ändern.

     

    Es nimmt den Tierkörper kaufenden Menschen ein Stück weit die Gewissensbisse, was sie da für eine bleiche Sklavenleiche verspeisen.

     

    Es schafft eine Illusion von Schutz und einen falschen, weil leeren Begriff von Tierschutz.

     

    Ein großartiges Marketinginstrument zur Verbrauchertäuschung, um endlich die Qualzucht-Mahlzeit hinter einer klingenden bedeutungslosen Worthülse verschwinden zu lassen. Man könnte es auch Lindemann-Brille nennen: Einfach dem verunsicherten Verbraucher eine Schwarzglasbrille aufsetzen, damit er das Elend ignorieren kann.

  • J
    Jakob

    Lieber Cédric,

    ich möchte von Anfang an klar stellen, dass ich sowohl den Tierschutz, als auch die in Mode gekommene Nachhaltigkeit sehr begrüße. Nur möchte ich nicht, dass der Begriff Nachhaltigkeit verwässert wird. Auf den Seiten von "Vier Pfoten" wird nur der Begriff Tierschutz, nicht die Nachhaltigkeit thematisiert. Wenn Tiere mehr Platz zum Leben bekommen, ist das gut für die Tiere und die Gesundheit. Und vielleicht für den Geschmack. Wenn Tiere mehr Platz auf dem Weg zum Schlachthof haben, ist das auch gut für das Tier. Vielleicht sogar auch noch gut für den Geschmack. Der CO2-Ausstoß pro Tier ist jedoch höher.

    Nachhaltigkeit kann ich hier nur im verminderten Risiko von Tierseuchen erkennen, womit weniger Tiere erkranken und verbrannt werden müssen, und vielleicht auch wenn weniger Antibiotika verwendet werden, weil das Risiko vermindert ist. Und wenn weniger elektrisches Licht benötigt wird, weil die Ställe Tageslicht haben (im Artikel nicht erwähnt).

    Es ist nicht alles gleich nachhaltig, weil es irgend etwas verbessert. Nachhaltigkeit wäre in dem Zusammenhang vielleicht der verminderte Fleischkonsum, weil Tierzucht CO2 verursacht und einen hohen Platzverbrauch hat. Auch hier wiederspricht der Mehrplatz pro Tier eigentlich eher der Nachhaltigkeit. Trotzdem ist er gut und wichtig!

    Herzliche Grüße,

    Jakob

  • MG
    manfred gerber

    Wieviel Geld bekommt die Organisation "vier Pfoten" für dieses Folterlabel?

    Premiumstufe 3 Sterne: max 10 Tiere pro qm und 4800 Tiere/ Gruppe

    Das ist Tierquälerei und hat nichts mit artgerechter Tierhaltung zu tun.

    Im Auslauf 4 Hähnchen / qm.

    Ist das mehr "Menschlichkeit für Tiere"? Dann wünsche ich den Menschen die das zu verantworten haben entsprechend, 5 qm Wohnraum und einen Auslauf von 20 qm.

    Meine Hühner haben 7 qm / Huhn und für ein schönes Hühnerleben könnte es ruhig noch ein bisschen mehr sein.

  • N
    Nachtwandler

    Eine Zwischenstufe zwischen Industriezucht und Bio-Zucht fehlte bisher. Hoffentlich sind die Siegel fundiert vertrauenswürdig. Warum eigentlich von zwei Tierschutzvereinen zwei verschiedene Siegel?

     

    Bei Netto, Lidl oder auch Kaufland gibt es seit ca. einem halben Jahr bereits einzene Hühnchenprodukte, die zumindest "langsamer gewachsen" sind. Bei Netto z.B. www.wiesenhof-privathof.de (naja).