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Siebentagekrieg der Presse

■ Die seriösen Berliner Tageszeitungen kämpfen mit der Entscheidung, an allen Wochentagen zu erscheinen/ Waffenstillstand beim 'Spandauer Volksblatt'

Berlin. »Liebe Leserin, lieber Leser, der ‘Zeitungskrieg‚ in Berlin, Sie werden davon gehört haben, wird jeden Tag heftiger — und bedenklicher«, schreckte das 'Spandauer Volksblatt' seine Leser unlängst vom Frühstücksei auf. Die kleine Zeitung aus dem Familienverlag mit Springer-Beteiligung informierte ihre Kunden darüber, daß sie sich an der neuesten Kampagne in diesem »Krieg« nicht beteiligen wolle: der Umstellung der alteingesessenen Westberliner Abonnementzeitungen 'Morgenpost‘ und 'Tagesspiegel‘ auf ein Erscheinen auch am Montag und nach Feiertagen.

Der »blaue Montag« als Verschnaufpause der Abonnementzeitungen nach ihren dicken Sonntagsausgaben war traditioneller Bestandteil des Westberliner Nachkriegszeitungsmarkts. Um sich besser behaupten zu können, erscheinen 'Berliner Morgenpost‘ und 'Der Tagesspiegel‘ ab Montag siebenmal in der Woche.

Beide Verlagsleitungen geben zu verstehen, daß die Geschäftspolitik des Mitbewerbers 'Berliner Zeitung‘ aus dem Ostteil der Stadt sie zumindest mitveranlaßt habe, ihre Erscheinungsweise umzustellen. Die von Robert Maxwell und dem Hamburger Verlag Gruner+Jahr übernommene 'Berliner Zeitung‘ versuche mit großem Werbeaufwand, im Westteil Berlins Fuß zu fassen, sagt Wolfgang Ludowig, Verlagsleiter der 'Morgenpost‘ aus dem Springer- Verlag.

Und Christian Hädler von der Geschäftsführung des 'Tagesspiegels' verweist darauf, daß die Konkurrenz aus dem Osten für sich mit dem Slogan geworben habe: »Wir haben keinen Ruhetag.«

Ludowig wie Hädler betonen jedoch, daß es auch andere sachliche Erwägungen gebe, auf die Pause nach den Sonn- und Feiertagsausgaben zu verzichten. Die alten Westberliner Zeitungstraditionen ließen sich nicht mehr halten. Die Bürger im Ostteil und die verstärkt aus Westdeutschland Zuziehenden hätten nun einmal andere Lesegewohnheiten. Andererseits wollten die Westberliner nicht auf ihre Sonntagszeitung verzichten.

»Interessant« sei der Berliner Zeitungsmarkt zur Zeit, befindet Hädler. »Mehrere sehr potente Verlage sind in angespannter wirtschaftlicher Lage in den Markt eingestiegen«, ergänzt Ludowig. Sein Kollege und Konkurrent vom 'Tagesspiegel' meint: »Wenn sich überhaupt auf dem deutschen Pressemarkt was tut, dann tut sich‘s hier.« Ob sich als Reaktion auf die neue Erscheinungsweise ihrer beider Blätter auch bei der 'Berliner Zeitung‘ etwas tun wird, ist noch nicht bekannt.

Sie habe für diesen Fall »Gegenmaßnahmen in der Schublade«, erklärte die dortige Verlagsleitung schon im Oktober. Ob sie damit eine derzeit noch fehlende Sonntagsausgabe ihrer Zeitung meint, war nicht zu erfahren. ap

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