Siebenschläfer verheißt Gutes: Es könnte ein milder Sommer werden

Wörtlich genommen werden sollten Bauernregeln nicht. Erfahrungsträchtig sind sie aber. Das gilt auch für den Siebenschläfertag.

Ein Getreidefeld steht vor den Weinbergen bei Segnitz (Bayern) im Sonnenschein.

„Das Wetter am Siebenschläfertag noch sieben Wochen bleiben mag“ besagt die alte Bauernregel Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

BERLIN taz | Heute ist Siebenschläfertag und eine alte Bauernregel sagt: So wie das Wetter heute ist, so ist es auch die nächsten sieben Wochen. Da sieht es – ausgehend von dem Wetterbericht für die kommenden Tage – nach mäßigem Sommerwetter mit gelegentlichem leichtem Regen aus. Keine tropische Hitze wie die letzten Sommer. Ich atme auf.

Mein Vater war Bauernsohn und Naturwissenschaftler und er wusste: Wörtlich ist die Bauernregel nicht zu nehmen, doch rund um den 27. Juni stellte sich meist eine Großwetterlage ein, die tatsächlich länger über dem Großraum Berlin erhalten blieb. Keine sieben Wochen, aber fünfe schon.

Mein Vater hat mir das auch wissenschaftlich erklärt. Da kamen Worte vor wie Hochdruckgebiet, Tiefdruckgebiet und Luftmassen vom Atlantik. Ich habe die genauen Zusammenhänge vergessen. Aber zu Lebzeiten meines Vaters konnte man sich meist darauf verlassen: Waren die letzten Junitage verregnet, dann war es auch der ganze Juli, und im August schien sehr wahrscheinlich die Sonne. Auch umgekehrt: Auf einen sonnigen Juni/Juli folgte oft ein regnerischer, kühler August.

Für meine Eltern war diese Regel praktisch. Denn mein Vater hatte Ende Juli Geburtstag, meine Mutter neun Tage später im August. Zwischen beiden Tagen geschah ziemlich zuverlässig der Wetterwechsel. Meist feierten meine Eltern zusammen, und da wollten sie bei schönem Wetter mit ihren Gästen im Garten sitzen. Die Entscheidung, welcher Geburtstag gefeiert wurde, fiel oft nach dem Siebenschläfertag: natürlich der mit der Aussicht auf Sonne. Und irgendwie konnte man sich fast immer darauf verlassen: Schien Ende Juni die Sonne, dann schien sie auch zum Geburtstag meines Vaters und es regnete am Geburtstag meiner Mutter. Und umgekehrt.

Vier Wochen Regen

Auch nach dem Tod meiner Eltern behielt ich diese Regel im Kopf. Um 2010 herum hatte ich einen verregneten Juli lang eine südkoreanische Schülerin zu Gast. Sie lernte Deutsch, weil sie nach ihrem Studium nach Deutschland ziehen und hier arbeiten wollte. Aber in ein Land, in dem sie vier Wochen lang jeden Tag Regen erlebte, wollte sie dann doch nicht ziehen. Ich sagte ihr, das sei bald vorbei, doch sie glaubte es nicht. Als im August wieder die Sonne schien, war sie bereits abgereist. Später schrieb sie mir, sie habe sich für eine Zukunft in Österreich entschieden, des vermeintlich besseren Wetters wegen.

Ein paar Jahre zuvor hatte ich im Juli auf der Kurischen Nehrung in Litauen Urlaub gemacht. Wir hatten perfektes Strandwetter. Während des Urlaubs las ich von Regen und Sturm über halb Europa. Das Baltikum und Skandinavien waren davon ausgenommen. Als ich Ende Juli nach Berlin zurückkehrte, brauchte ich nicht lange zu warten, bis hier die Sonne schien. Wetterwechsel wie bestellt fünf Wochen nach dem Siebenschläfertag.

2019, nach dem unerträglich heißen Juli, freute ich mich auf die Abkühlung und den erlösenden Regen für die Natur im August. Sie kam nicht. Auch nicht in den Jahren danach. Tropische Hitze und Dürre bis in die ersten Septembertage. Der Siebenschläfertag, der jahrelang eigentlich nur ein Fünfschläfer war, hat sich in einen Neunschläfertag verwandelt. Mit der Klimakrise sind die Wetterlagen verrutscht. Was haben wir wohl heute? Siebenschläfer? Fünfschläfer? Oder doch Neunschläfer?

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