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Sieben Sekunden lang Maul halten

Die Pläne und Gutachten zum Transrapid liegen nur noch bis morgen in Hamburg zur Einsicht aus, aber bislang hat sich kaum jemand dafür interessiert  ■ Von Ulrike Winkelmann

Noch bis morgen liegen in Hamburg die Pläne und Gutachten aus, die der Bevölkerung verraten, warum der Transrapid gut, leise und schön ist. Auch im katholischen Gemeindezentrum St. Erich in Rothenburgsort, zwischen einer Kirschholzfurnier-Schrankwand und einem Adolph-Kolping-Portrait, hängen rund ein Dutzend Stadt- und Landkarten mit den möglichen und favorisierten Trassen des Magnetgleiters.

Von den säuberlich aufgereihten 25 Gutachten-Ordnern sind manche doppelt; angesichts des vielen Papiers befällt jedoch selbst interessierte Gemüter eine gewisse Lähmung. Ein willkürlich hineingeworfener Blick weckt die Lebensgeister wieder, denn die Gutachter beweisen aufmunternde Eloquenz: „Der Abriß von Gebäuden stellt eine intensive Beeinträchtigung der Nutzbarkeit dar“, erfahren wir bei der Stadtverträglichkeitsuntersuchung und stimmen zu. In der Tat hat der Abriß der Bahnschuppen am Högerdamm vor rund zwei Wochen nicht nur ihre auch vom Gutachter bescheinigte „Schutzwürdigkeit“, sondern auch ihren Nutzen erledigt.

Überhaupt wird sich südlich des Hauptbahnhofs, wo der Schnellzug ankommen soll, einiges verändern; so wird hinter dem Postamt am Hühnerposten, das vom Transrapid durchbohrt werden soll, ein Parkhaus entstehen. Was die Wohnungen rings um Högerdamm und Hühnerposten angeht, so wird lakonisch bemerkt, daß diese derzeit ohnehin verdrängt werden.

Die zwei Schlüsselbegriffe der Gutachter lauten Betroffenheit und Zumutbarkeit; wird das eine festgestellt, so muß das andere bewiesen werden, denn, so verkündet eine Einleitung, das „Gutachten hat nicht das Ziel“, den Transrapid in Frage zu stellen. Es gehe nur noch um die Ausführung.

„Hierher kommen nur Leute, die das realistisch sehen“, erklärt auch Bela Schmidtke, der seit Mitte August das Karten- und Ordner-Ensemble in St. Erich bewacht. Er ist Architekturstudent und bekommt 16 Mark die Stunde von der Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft, kurz MPG, dafür, daß er das Gästebuch führt und auch sonst einen guten Eindruck macht. Herausgefordert wurde er bislang allerdings nicht. Transrapid-Gegner seien überhaupt noch nicht dagewesen – die würden sich die Mühe nicht machen und die Ordner durchgehen.

Realistisch? Ja, der Transrapid sei beschlossene Sache, und selbst Fürst von Bismarck, der angekündigt hat, er wolle den flitzenden Wurm nicht in seinem Sachsenwald haben, könne schlichtweg enteignet werden, Fürst hin, Bismarck her. „Denn das ist immerhin Bundesangelegenheit.“

Das Gästebuch verrät, daß sich in den vier Wochen der Auslagedauer kaum mehr als ein Mensch täglich nach St. Erich verirrt hat, darunter aber auch der SPD-Fraktionsvorsitzende des Ortsausschusses Veddel/Rothenburgsort, Axel Wieder. Im August haben offenbar die Rothenburgsorter Kleingärtner vorbeigeschaut, deren Grundstücke auf der zukünftigen Transrapid-Strecke liegen. Auch die, sagt Schmidtke, seien keine Gegner, „die sind eher stolz, daß ihr Grundstück in den Unterlagen vorkommt und erzählen mir dann, wieviel Frösche sie diesen Sommer im Teich hatten.“

Und so bestehen auch die UVUs, die Umweltverträglichkeits-Untersuchungen, vornehmlich aus Teiche- und Fröschezählen. Die Natur, so berichten die Gutachten, wird vom Transrapid kaum beeinträchtigt, denn das gute Stück ist leise, jedenfalls im Durchschnitt leiser als die Autobahn. Deshalb wurde dem Ortsausschuß Billstedt, dem ein MPG-Öffentlichkeitsarbeiter vergangene Woche den Transrapid schmackhaft machen wollte, auch gesagt, daß sich die BillstedterInnen wegen des Lärms nicht so anstellen bräuchten, schließlich lebten sie ja auch mit der A 1 auch ganz gut.

Im Gutachten ist zu lesen, daß auch in fünfundzwanzig Meter Abstand vom Transrapid eine Satzverständlichkeit von 95 Prozent zu erreichen sei, wenn man zwei Meter voneinander entfernt steht, und eine siebensekündige Pause beim Reden, wenn das Ding vorbeirauscht, sei durchaus zumutbar. Achtmal die Stunde. Schließlich sollen tags 124 Züge fahren, und nachts noch einmal mindestens zwanzig. Aber da redet man ja auch nicht.

Auch Bela Schmidtke ist vom Transrapid überzeugt, schließlich ist er dafür eine Woche lang geschult worden. Immerhin, bemerkt er, habe die MPG das gar nicht nötig, die Pläne in Hamburg überhaupt zu präsentieren, denn anders als in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gebe es hier kein Raumordnungsverfahren, das so etwas vorsehe. „Hier“, sagt er, „wird das dann durch die politischen Gremien gereicht, die eine abschließende Stellungnahme dazu verfassen.“ Ob das überhaupt noch jemand interessiert, weiß er nicht, „schließlich ist das Ding lange beschlossene Sache.“

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