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Sieben Paare schieben durchs Valparaiso

■ Draußen am Hastedter Deich:ein Cafe mit lateinamerikanischem Flair, Musik und Dichtung — das Valparaiso

Das „Valparaiso“ hat keine Bilder an den Wänden hängen, alldieweil die Wände in dem länglichen Cafe fast nur aus Fenstern bestehen. Dafür können Nachmittagsgäste stundenlang den Schlittschuhläufern auf der Eislaufbahn zugucken. „Aber ich werde auch noch Ausstellungen machen“ sagt Betreiber Ulrich Simon, „ich denke schon über eine Aufhängung nach“.

Innerhalb von einem Jahr hat der gebürtige Chilene aus einem ehemaligen Imbiß und Partyladen direkt an der Eislaufbahn draußen am Hastedter Deich ein einigermaßen internationales Kulturcafe mit lateinamerikanischer Basis zum Leben erweckt. „Ich habe so lange Jahre in einer Exilsituation gelebt. Jetzt wollte ich mich hier festlegen, mit einem Cafe, daß kulturelle Grenzen überschreitet. Und das Valparaiso heißt, Paradiestal, wo ich geboren bin und immer die Sonne scheint.“

Im Valparaiso lesen bremische, chilenische, mexikanische DichterInnen (der alte Mario Benedetti war dabei und der

Bremer Exilchilene Christian Cortez). Musik wird gemacht, von Klassik, über Jazziges bis hin zur, vor allem, lateinamerikanischen Folklore live. Tanzen ist jederzeit erlaubt, und Donnerstags ist Tango explizit angesagt.

Dann werden die Tische beiseite gerückt und sieben Paare schieben durch das Valparaiso. Zugucken darf jede: „Das werden die schönsten Abende — und es zieht mich zur Bühne, zur Musik, aber ich muß in der Küche sein

und Empanadas backen“.

Ulli Simon wird hochgeschätzt für seine Empanadas, die gefüllten Teichtaschen nach chilenischer Art, mit einer Olive in der gerollten Mitte und sieben Rosinen im Hack. Und - er ist Musiker auf mehreren lateinamerikanischen Instrumenten, der Gitarre, der Panflöte. Kein Konzertabend vergeht, ohne daß Ulli nicht doch noch auf die Bühne geht und mitspielt.

Viele Jahre lang hat Ulrich Simon mit seiner in Südchile ziemlich bekannten Musikgruppe Los Andariegos gespielt. Seine Brüder waren dabei und Freunde, die alle in den 7oer Pinochet-Jahren nach Deutschland geflohen sind und hier eigene Gruppen aufgemacht haben, die man ab und zu im Veranstaltungsprogramm des Valparaiso wiederfindet.

Das Publikum ist bei den Veranstaltungen auf eine ungewöhnlich belebende Weise gemischt: zwischen den bleichen BremerInnen sitzen zu mindestens 50 Prozent dunkelhäutige Männer und Frauen mit indioscharf-schönen Gesichtern. Es wird viel mitgesungen, gefragt, diskutiert.

Unter der Woche ist es eher ruhig im Valparaiso, das für die seltsamen Bremer Gewohnheiten in Hastedt ja schon ganz weit draußen liegt. Die Nachbarn allerdings entdecken langsam das ungewohnte Cafe, in dem immer lateinamerikanische Musik läuft und es Mate-Tee aus Kallebassen gibt, den geschnäbelten ausgehöhlten Kürbisfrüchten. Man kann lernen, ihn aus den silbernen Trinkrohren kochendheiß anzusaugen. Und die schreibende Szene nähert sich ebenfalls.

Seit 1973 lebt Ulli Simon in Bremen, inzwischen längst mit Kindern und einer deutschen Frau. Immer schon hat seine Familie zwischen Chile und Deutschland geschwankt, wurden Kinder hier und dort geboren — gab es seit Generationen Freunde in beiden Ländern. Ulli möchte wieder nach Chile zurück. „Aber noch kann ich nicht...“, sagt er lächelnd, „ich habe immer politisch gearbeitet und sehr idealistisch. Wenn ich zurückkomme, werden sie fragen: was hast du verdient? Was soll ich da bis jetzt sagen?"

Cornelia Kurth

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