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Sie machen die Klappe auf

Legenden Dance-Tracks und Bums-Techno spielen, ohne dabei peinlich zu sein, ist gar nicht so einfach. Den Pet Shop Boys gelingt das beim Konzert in Leipzig mal wieder

Ihr dreizehntes Album haben sie „Super“ genannt. Neil Tennant (l.) und Chris Lowe sind wahrhaft ganz schön super Foto: Peter Endig/dpa

von Juliane Streich

Rock ist überbewertet, denn heute sind sie alle Popkids. Über 7.000 Leute in der Leipziger Arena tanzen zu „West End Girls“. Oder besser gesagt: Über 7.000 Menschen klatschen rhythmisch im Takt, während die Pet Shop Boys auf der Bühne gleich am Anfang einen ihrer größten Hits spielen. Sänger Neil Tennant heizt die von ihm selbst betitelten Popkids, die im Durchschnitt nicht viel jünger sein dürften als der 62-jährige Brite selbst, weiter an. „They called us the Pop Kids / ’cause we loved the pop hits“. Die Pophits lieben sie immer noch, das ist offensichtlich.

Es ist das Auftaktkonzert der neuen Europatour. „Schön, wieder hier zu sein“, sagt Tennant. Er und sein Partner und Mitmusiker Chris Lowe tragen discokugelähnliche Kopfbedeckungen, die tatsächlich den ganzen Kopf bedecken, sodass Tennant zum Singen eine kleine Klappe aufmachen muss, während man sich bei Lowe fragt, ob er die Synthies da gerade blind bedient. Was man ihm natürlich zutrauen würde. Denn wenn jemand Synthie-Musik verkörpert, dann diese beiden Briten. Über 100 Millionen Platten haben sie verkauft, in diesem Jahr erschien ihr dreizehntes Album „Super“. Ein Album voller Pop-Dance-Tracks und Bums-Techno, der in Großraumdiskos super funktioniert – und dennoch cool ist. Nicht nur, weil sich die beiden Schwulen schon immer für die Rechte von homosexuellen und Transgender einsetzten, sondern auch weil sie in all ihrer Mainstreamkompatibilität und in den simpelsten Popsongs immer Sarkasmus und feine Ironie durchblicken lassen.

Kitschig, trotzdem schön

Zwei Männer kommen auf die Bühne, um den Pet Shop Boys die Kugeln vom Kopf zu nehmen. Tennant trägt jetzt Glatze, Lowe eine Baseball-Cap – die Hüte werden im Laufe des Abends noch mehrmals wechseln. Die Leinwand hinter ihnen fällt zu Boden, um eine Liveband mit zwei Schlagzeugern zu enthüllen – und eine andere Leinwand. Lichtshow, Visuals und Artwork: All das spielt eine entscheidende Rolle bei Konzerten der Band. Bunte Laser strahlen durch die Arena, versuchen der Allzweckhalle ein bisschen ­Ästhetik zu verleihen. Was zumindest so weit funktioniert, dass Leute ihre Handys kurzzeitig nicht mehr Richtung Bühne halten, sondern kurz die Decke mit den bunten Punkten filmen – der Ansage, dass Handyaufnahmen verboten seien, zum Trotz.

Vorn auf der Leinwand werden derweil Sonnenuntergänge am Meer mit Wellenrauschen oder Sternenhimmel projiziert. Kitschig ist das, aber hier kann man es auch einfach mal schön finden. Denn egal, was die Pet Shop Boys in ihrer 35-jährigen Karriere schon gemacht haben – peinlich war es selten.

Bunte Laser strahlen durch die Arena, versuchen, der Allzweckhalle ein bisschen Ästhetik zu verleihen

Tennants unverwechselbare Stimme klingt immer noch genauso androgyn wie eh und live genauso perfekt wie auf Platte. Und auch die von ihm angekündigten neuen Versionen alter Hits wie „Go West“ funktionieren heute genauso wie Anfang der Neunziger. Die neuen Songs reihen sich nahtlos ein. Bei „Domino Dancing“ singt das Publikum im Chor: „All day, All day / Watch them all fall down“. Bei „It’s a Sin“ fangen zwischen den Im-Takt-Klatschern sogar einige an, ausgelassen zu tanzen, bei „Always on My Mind“ ist auch endlich gute Stimmung in der ganzen Arena. Über der Bühne blasen sich bunte Ballons von selbst auf, um dann abwechselnd farbenfroh zu leuchten.

Doch damit kommt die Bühnenshow nicht annähernd an die Pompösität ihrer letzten Tour heran. Weniger Tänzer, weniger Kostümwechsel, weniger umfallende Wände. Stattdessen läuft Tennant singend von einer Seite der Bühne zur anderen – drei Sängerinnen mit den typischen Pet-Shop-Boys-Hüten folgen ihm auf Schritt und Tritt.

So pünktlich, wie sie um 20 Uhr begonnen haben, so pünktlich hören sie auch wieder auf. Nach nicht einmal zwei Stunden ist das Konzert noch vor 22 Uhr vorbei. Die Popkids haben gerockt, die Popkids gehen nach Hause. „Telling every­one we knew / that rock was overrated“.

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