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SicherungsverwahrungNicht an unserer Kreuzung

Im Hamburger Stadtteil Moorburg wird es bald eine Einrichtung für ehemalige Sicherungsverwahrte geben. Viele Anwohner wehren sich dagegen, Sozialarbeiter Peter Asprion setzt sich für einen ernst gemeinten Versuch der Resozialisierung ein

Kein Ort für Sicherungsverwahrte, wenn es nach den Anwohnern geht: Haus in Moorburg Bild: Henning Scholz

HAMBURG taz | Peter Asprion steht auf einem flachen Podium, das von bunten Scheinwerfern bestrahlt und von Samtvorhängen eingerahmt wird. In der Hand hält er einen Luftballon, den er aufbläst, zur Verdeutlichung. Aufgeblasen, so wie das Thema Sicherungsverwahrung. Es sei in der Gesellschaft, der Politik und den Medien in einer Weise aufgebläht worden, die jeglicher Rationalität entbehre. „Wir haben diese Menschen zu Monstern gemacht“, sagt Asprion.

Im Halbkreis vor ihm versammelt sitzen rund 40 Menschen, größtenteils aus Moorburg, die meisten mittleren Alters, einige wenige jüngere darunter, denen das Thema Sicherungsverwahrung seit Wochen keine Ruhe lässt.

Denn in einem Haus an der zentralen Straßenkreuzung Moorburgs, unmittelbar neben der Bushaltestelle, sollen künftig drei Männer unterkommen, die aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden. Es soll dort auch Räumlichkeiten für eine psychosoziale Betreuung und Polizeibeamte geben. Im Juli dieses Jahres hatte der Hamburger Senat sich für den Standort Moorburg entschieden, seitdem herrscht Unmut bei den Anwohnern.

Die Moorburger blicken Asprion erwartungsvoll an. Die meisten noch in ihren Jacken, denn der Raum in der alten Grundschule ist nur mäßig geheizt. Weißes Licht strahlt von der Decke.

Der Sozialarbeiter und Buchautor Peter Asprion arbeitet seit vielen Jahren als Bewährungshelfer für sicherungsverwahrte Männer. In seiner Stimme schwingt viel Empathie für die Sicherungsverwahrten mit, er will die Anwohner Moorburgs in ihrer ablehnenden Haltung nachdenklich stimmen, ihnen verständlich machen, dass die Resozialisierung von Straftätern nur eine Chance hat, wenn sie von der Gesellschaft nicht ausgegrenzt werden. „Die Erfahrung zeigt, dass die Männer durchaus erreichbar sind, therapeutisch, integrierend. Die Männer sind oft sehr bemüht, aber die andere Seite macht dicht“, sagt Asprion ruhig.

Die Anwohner finden viele Gründe, weshalb sich „die Herren“ in Moorburg gar nicht wohlfühlen könnten. Sie versuchen, rational zu argumentieren, um Angst und Unwohlsein zu verdecken. Man gibt sich liberal, verständnisvoll. „Wir sind da schon sehr offen, viel offener als andere Stadtteile“, versichert eine rothaarige Anwohnerin. „Das rechtstaatliche Prinzip der Resozialisierung“ sei in jedem Fall hochzuhalten, sagt eine andere Frau belegt, „aber der Standort Moorburg ist dafür einfach nicht geeignet.“ Moorburg sei schließlich ein kleines Straßendorf am Rande der Stadt, ohne Infrastruktur, die Männer an der Straßenkreuzung auf dem Präsentierteller. Zudem müssten Frauen und Kinder hier täglich entlanggehen.

Ein weißhaariger Mann von außerhalb mischt sich lautstark ein: „Ich bin mit dem Bus hierher gekommen. Hier ist ja mehr als Wildnis, das ist ’ne Katastrophe, hier überhaupt zu wohnen.“ Gelächter im Publikum, die Moorburger fühlen sich bestätigt. Ja, Moorburg wäre nichts für die Männer, die hier einziehen sollen. „Die sollten in St. Pauli wohnen, da können sie ins Kino gehen und was unternehmen, da ist was los“, ruft er in die Runde. Die Moorburger sehen aus, als würden sie jetzt gerne klatschen, es traut sich dann aber doch niemand.

„Ich sehe, dass die Dämonisierung auch hier schon sehr weit vorangeschritten ist“, stellt Asprion fest. „Wir bräuchten jemanden wie Sie hier, der vermittelt. Der den Kontakt zwischen den Moorburgern und den Männern herstellt“, sagt ein junger Mann mit Brille.

Die Moorburger erregen sich: Sie seien nicht genug einbezogen worden und fühlten sich überfordert. Was könnten sie denn jetzt gegen das Vorhaben des Senats tun, fragen einige. Die meisten scheinen Asprions Ansatz nicht wirklich begriffen zu haben: dass er hier ist, um für einen aufrichtigen Versuch der Integration zu plädieren.

Eine junge Frau ist aufgestanden: „Hier kommen Personen her, die ein Recht auf ein unbeschwertes Leben haben. Wir können uns doch nicht einfach hier hinstellen wie ein trotziges kleines Kind. Der Erste kommt in einer Woche – wie reagieren wir denn dann?“, fragt sie.

„Schließen Sie die Männer in Ihr Herz“, schlägt Asprion vor, „lassen Sie sie hier gut leben!“ Einige Moorburger lachen jetzt – etwas ungläubig, unschlüssig, wie ernst sie diesen Ratschlag nehmen sollen.

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4 Kommentare

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  • K
    KA.M

    Dieser Artikel ist eine Beleidigung für Moorburg und alle MoorburgerInnen, ob rot- oder weißhaarig. Was tut das zur Sache? Diese Journalistin hat nichts begriffen von der Vielschichtigkeit der Probleme vor die Moorburg in steter Regelmäßigkeit gestellt wird und von dem Engagement seiner Bewohner für ihren Stadtteil. Und das war auch Thema an diesem Abend, die Vorschläge von Peter Asprion wurden ernsthaft erwogen, das Konzept der Unterbringung der ehmals Sicherheitsverwahrten in Moorburg in einen größeren Zusammenhang gestellt, unabhängig von Wahlkampf oder Partei.

    Ich habe durchaus schon für Artikel bezahlt, aber das hier geht gar nicht! Thema verfehlt!

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    Karin Bryant

    Also wirklich. Ja,es kann immer etwas passieren .Das ist eine Möglichkeit.Wer aber in der Nähe einer Einrichtung für Sicherheitsverwahrte leben muss ,für den ist eine Gewißheit. Schließlich werden diese Menschen als eine Gefahr für die Gesellschaft betrachtet und nicht ohne Grund in so einer Einrichtung.

  • E
    elbraun

    traurig wie peinlich die taz schon im wahlkampf-modus für die grünen ist.

     

    dass dies eine veranstaltung der LINKEN war wird mit keiner Silbe erwähnt. Eine sehr wichtige Veranstaltung, möchte ich anmerken, wie der text ja sonst auch gut aufzeigt. Aber einfach die LINKE als Organisatoren und Anstifter für solch wichtigen gesellschaftlichen Diskussionen wegzulassen ist nicht nur dreist, sondern armselig.

     

    Und für so einen Journalismus wollt ihr Geld von mir (paywall)? Niemals!

  • T
    Tim

    Traurig immer wieder davon zu lesen, wie breit das Unverständnis in der Gesellschaft vorhanden ist. Seien es Asylwohnheime oder Stellen, welche für bestimmte soziale Gruppen spezialisiert sind.

    In diesem Falle muss man einfach sagen, dass wir ein Rechtsystem haben, welches auf Resozialisierung baut. Dazu muss eben jeder Mensch, der in dieser Gesellschaft lebt, seinen Beitrag leisten. Zu einer funktionierenden Gesellschaft gehört eben mehr, als nur die niedergeschriebenen Gesetze.

    Auch ist dieses falsche Gefühl von Sicherheit ein Problem. Es kann immer etwas passieren, für den/die Einzelne/n ist das ohne Frage grausam, für die Gesellschaft wäre es aber noch schlimmer, wenn wir alle Menschen, die potenziell gefährlich sind (nicht nur die Veurteilten, die ihre Strafe schon abgesessen haben und eigentlich rehabilitiert sein sollten) von der Gesellschaft ausschließen, wie auch immer das aussehen mag.