Sicherheitslage in Deutschland: Friedrich gibt sich friedlich
Die Sicherheitslage in Deutschland hat sich nicht verändert, meint die Bundesregierung. Selbst Innenminister Friedrich sieht keinen Anlass für besondere Maßnahmen.
BERLIN/MÜNCHEN taz | Er könnte energiegeladen an der Journalistentraube vorbeieilen. Aber Hans-Peter Friedrich unterhält sich für die Fernsehkameras mit ein paar uniformierten Polizisten. Es sind Bilder, so harmlos, sie könnten auch vom Sommerfest der örtlichen Polizeidienststelle stammen.
Wenige Stunden nach dem Tod des Terrorfürsten Osama bin Laden gibt der Bundesinnenminister eine eilige Pressekonferenz am Münchner Flughafen. Für einen CSU-Politiker wie Friedrich eigentlich eine verführerische Gelegenheit, vor möglichen Racheakten islamistischer Terroristen zu warnen und eine Verschärfung der deutschen Antiterrorgesetze zu fordern.
Aber Friedrich will weder laut warnen noch fordern. Es ist ein besonnener, fast leiser Auftritt des Innenministers. "Es zeichnet sich keine konkrete Bedrohung ab", sagt Friedrich. Es gebe keine konkreten Hinweise auf Racheakte, keinen Anlass zu besonderen Maßnahmen, keinen Grund, US-Einrichtungen im Land besonders zu schützen, nur eine "unverändert hohe Bedrohungslage in Deutschland", an der sich durch den Tod Bin Ladens aber nichts geändert habe.
Selbst zu den Antiterrorgesetzen kommen nur leise Töne von Friedrich: Ihm sei an einer differenzierten Darstellung gelegen, so der Innenminister. "Ich will nicht eine Verschärfung oder eine pauschale Verlängerung." Man müsse die Antiterrormaßnahmen im Einzelfall prüfen und bis Ende des Jahres evaluieren.
Noch am Wochenende hatte das ganz anders geklungen. Nach der Festnahme von drei terrorverdächtigen Islamisten forderte Friedrich die pauschale Verlängerung der eigentlich Ende des Jahres auslaufenden Antiterrorgesetze. "Sie sollten am Ende des Jahres verlängert werden", so Friedrich zur Bild am Sonntag.
Die FDP im Blick
Die FDP um Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich gegen eine Verlängerung aus, Friedrich warf dem kleinen Koalitionspartner daraufhin "parteitaktische Manöver" vor.
Mit dem ruhigen Auftritt vom Montag geht der Innenminister deutlich auf die FDP zu. Und die FDP begrüßt die neue Besonnenheit des CSU-Ministers.
"Es ist richtig und notwendig, so zu verfahren, wie es Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich heute gesagt hat", meint die innenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Gisela Piltz. Jede einzelne Vorschrift der Antiterrorgesetze müsse auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden.
Sachlichkeit am Montag auch von der Kanzlerin: Angela Merkel (CDU) bekundet "Respekt für die gelungene Kommandoaktion" der US-Armee. Der Tod bin Ladens sei eine gute Nachricht, weil der Al-Qaida-Chef keine Terroraktionen mehr planen könne.
Scharfmacher in München
Für Deutschlands Sicherheit bedeute bin Ladens Tod keine Änderung, so Merkel. Die Festnahme der drei mutmaßlichen Al-Qaida-Mitglieder in Düsseldorf zeige, dass "alle Wachsamkeit gefordert" sei. Sie zeige aber auch, dass die Behörden effektiv arbeiten. Zur Verlängerung der Antiterrorgesetze äußerte sich Merkel nicht.
Die SPD erklärte an, sie werde eine befristete Verlängerung des Gesetzespakets unterstützen. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, forderte aber ebenso wie die FDP eine "Evaluation der Sicherheitsgesetze." CSU-Parteichef Horst Seehofer versprach, man werde mit der FDP "vernünftige Gespräche" über eine Gesetzesverlängerung führen.
Hinter der kompromissbereiten Linie von Friedrich stehen aber offenbar nicht alle in der CSU. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gab wie gewohnt den Scharfmacher und warnte: "Die Gefahr von Racheakten islamistischer Attentäter wächst." Die Antiterrorgesetze müssten auf jeden Fall verlängert werden.
Der Bundesinnenminister flog nach seinem ruhigen Auftritt weiter nach Washington. Nicht um über konkrete Gefahren zu sprechen, sondern, so Friedrich, "über Terrorismus im Allgemeinen".
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