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Sicherheit im VerkehrAutotester wider Willen

Die Zahl der Rückrufe steigt: Immer häufiger bringen die Hersteller mangelhafte Fahrzeuge auf den Markt. Praktisch erprobt werden sie erst von den Kunden.

Ist der Kunde zum besten Tester der Autokonzerne geworden? Toyota ist da ein sehr fragliches Beispiel! Bild: reuters

BERLIN taz | Immer öfter müssen Autohersteller in Deutschland verkaufte Fahrzeuge wieder in die Werkstätten zurückrufen. Das zeigen aktuelle Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes. Allein im vergangenen Jahr war die Behörde als zuständiges Aufsichtsamt an 140 Rückrufaktionen beteiligt. Spektakuläre Aktionen wie die von Toyota - der japanische Konzern musste weltweit rund 8,5 Millionen Fahrzeuge wegen Problemen mit Gaspedalen, Bremsen und klemmenden Fußmatten zurückrufen - sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.

Ein Auto besteht, je nach Fabrikat und Betrachtungsweise, aus 6.000 bis 10.000 Einzelteilen. Alle diese Teile können irgendwann kaputtgehen - auch solche, die für den sicheren Betrieb des Fahrzeugs notwendig sind. Das gefährdet nicht nur Fahrer und andere Insassen, sondern auch Passanten. Häufen sich die Fehler schon bei Neuwagen, handelt es sich um ein strukturelles Problem. Dann müssen die Hersteller die verkauften Autos in die Werkstätten zurückrufen und den Fehler beheben.

Bei den 140 Rückrufen des vergangenen Jahres ging es laut Kraftfahrtbundesamt in 86 Fällen um besonders gefährliche Mängel. 1998 gab es nur 55 Rückrufaktionen, 27 davon wegen besonderer Gefährdung.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Einiges deutet darauf hin, dass neue Modelle vorschnell auf den Markt kommen. So sind die Kunden quasi kostenlose Testfahrer der Konzerne. "Bei den neuen Modellen haben wir es mit immer kürzeren Entwicklungszyklen zu tun", sagt Helmut Klein, Technikexperte beim Automobilclub ADAC. Zudem würden immer häufiger Simulationsprogramme eingesetzt. In der Praxis erprobe man technische Details immer weniger. Ein Großteil der Rückrufe betreffe Fahrzeuge, die nicht älter als zwei Jahre seien; das sei ein Hinweis auf nicht ausgereifte Neumodelle.

Zudem werden die Fahrzeuge immer komplexer und in immer mehr Modellvarianten angeboten. Dabei wird Schnickschnack wie elektronische Fensterheber oder Einparkhilfen mitverkauft, der sie nicht nur teurer macht und zu einem höherem Energieverbrauch führt, sondern möglicherweise auch störanfällig ist.

Zugleich sorgt die Gleichteile-Strategie der Hersteller dafür, dass Mängel schnell sehr weit verbreitet auftauchen. Bei Toyota kommt das verdächtige Gaspedal weltweit von demselben Hersteller, und es wird in mehreren Modellreihen eingebaut. Diese Strategie spart nicht nur Geld. Sie ist eigentlich auch geeignet, Fehler schneller zu finden. "Bei einem hohen Produktausstoß fallen Probleme eher auf als bei kleinen Serien", sagt ADAC-Experte Klein. Der Hersteller müsse aber umso schneller reagieren. Denn wenn das Problem bei sehr vielen Fahrzeugen auftaucht, kann sich der Kostenvorteil schnell ins Gegenteil verkehren. Rückrufaktionen verschlingen sehr viel Geld, vom Imageschaden ganz zu schweigen.

Gerd Lottsiepen, Autoexperte beim alternativen Verkehrsclub VCD, sieht noch einen weiteren Grund für die jüngsten spektakulären Rückrufe: "Toyota ist zu schnell gewachsen", so Lottsiepen. Dafür habe man weltweit möglicherweise Zulieferer ins Boot geholt, die den hohen Qualitätsanforderungen nicht gerecht würden. "Für gute Arbeit braucht man gut ausgebildetes Personal." Das soll auch eine Warnung an Volkswagen sein, schließlich plant der Wolfsburger Konzern, Toyota zu überholen - mit einer ähnlichen Plattformstrategie. Wachstum dürfe es nicht um jeden Preis, sondern nur mit intensiver Qualitätssicherung geben, so Lottsiepen. "Die Kunden haben ein Recht darauf, dass ihre Autos sicher fahren."

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6 Kommentare

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  • J
    jan

    [zitat]

    Die Ölreserven der Erde werden immer knapper. Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie wir das Ende des Ölzeitalters bestmöglich bewältigen und nicht so einem Quatsch wie dem Auto nachhängen.

     

    Die Ölkonzerne halten ihr Wissen über die wahren Reste der Ölvorkommen zurück - dem Konsumenten soll bis zuletzt das Geld mit Autos aus der Tasche gezogen werden. Und selbst wenn sie wüßten, dass es morgen kein Öl mehr gibt würden sie heute noch auf Teufel komm raus Autos verkaufen.[/zitat]

     

    leider ist es so das das öl knapper wird. aber daraus gleich zu schliessen das das es darum geht noch die letzte karre zu verkaufen die geht bevor kein öl mehr da ist, geht leider nicht ganu so einfach.

     

    die konzerne bauen in den nächsten jahren ihre elektoautos in serie. aber der verlust vom erdöl abbau nimmt dadurch nicht ab. wieso?

    jede art von plastik, folie etc pp wird mit öl produziert. der bedarf an an plastik etc wird mit der masse der menschheit steigen.

     

    wie würde man sagen "wieso was verändern, wenn ich mit dem leben kann was ich noch habe?"

     

    mit anderen worten, sollen sich doch die nächten 5 generationen damit rumschlagen, bis dahin bin ich nicht mehr da.

  • G
    glamorama

    Die Plattformstrategien der großen Hersteller sind nicht die Ursache für das Problem, und sie sind erst recht nichts Neues. Im Gegenteil: Die Amis machen das schon seit den 50er und 60er Jahren und selbst VW baute damals schon quasi baugleiche, luftgekühlte Motoren in alle Fahrzeuge seiner freilich noch sehr überschaubaren Produktpalette. Auf Käferbasis gab es Ende der 60er immerhin schon fünf verschiedene Fahrzeuge, die sich einen Großteil der Bauteile teilten (Käfer, Käfer Cabrio, Karmann Ghia, den Kübel und das Postfahrzeug Fridolin).

     

    Problematisch sind die immer kürzer werdenden Produktzyklen, die eine ausgiebige Erprobung aller Bauteile praktisch unmöglich machen. Während ein VW Käfer praktisch 60 Jahre lang immer nur kleine Korrekturen gespendet bekam, wurde das Nachfolgemodell Golf seit seiner Einführung bereits fünfmal neu konstruiert - mit immer kleiner werdenden Abständen zwischen den Modellwechseln.

     

    Die damit einhergehenden Probleme betreffen selbstverständlich nicht nur Toyota, sondern in mehr oder weniger ähnlichem Umfang auch alle deutschen Hersteller von Opel bis Porsche. Dass die Öffentlichkeit Toyota als einziges Problemkind in der Automobilbranche wahrnimmt, ist auf die Berichterstattung der meisten Medien zurückzuführen, die - aus welchen Gründen auch immer - der deutschen Autoindustrie damit einen großen Gefallen getan haben. Schön, dass die taz hier objektiver berichtet :)

  • TF
    Thomas Fluhr

    Wenn der Kunde immer mehr verlangt und gleichzeitig immer weniger bezahlen will, ist er mitschuldig bei dieser Entwicklung. Das gilt nicht nur für Rückrufaktionen, sondern auch für den Preisverfall und den daraus resultierenden Lohnverfall, die Stärkung der Großkonzerne, die Einzelnen Händler, Bauern etc. bleiben auf der Strecke und letztlich auch der einzelne Kunde, wie einige Unfallbilder der 'Rückruf-Fahrzeuge' belegen.

  • IL
    I. Lopez

    Was willste erwarten, wenn die Einkaufsmanager früher mal Ingenieure waren und jetzt BWLer sind (4 Cent pro Stück müssen sie runter und bei der zweiten Rheihe reden wir noch über den Preis), wenn aus manchmal 15 Lieferanten 2 werden und die dann auch nur noch einen Kunden haben.

    Da wird das QM dann zwar der GF unterstellt, aber da der Lieferant nur noch einen Kunden hat, muss sich der QM Manager dann auch überlegen, wie genau er seine ISO Zertifizierungen beim Prüfen nimmt (Fahren sie mal selber hin und messen das nochmal...).

    Sprich, selbstgezüchteter Boomerang, Frage ob noch mehr passiert ist nicht ob, sondern wann! Zum Glück wirds in den USA richtig teuer für die Jungs...das könnte jemandem weh tun.

  • SS
    Sebastian S.

    Das nennt man Bananenprodukt.

     

    Reift beim Kunden!

  • R
    Rod

    Wer kauft sich denn heutzutage noch ein Auto? Der Spritpreis steigt exponentiell, die Ölreserven der Erde werden immer knapper. Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie wir das Ende des Ölzeitalters bestmöglich bewältigen und nicht so einem Quatsch wie dem Auto nachhängen. Das sind für mich alles nur Andeutungen des bevorstehenden Niedergangs der Automobilindustrie.

     

    Das letzte Aufbäumen vor dem endgültigen Niedergang. Der aufgeblähteste VW-Golf aller Zeiten, die S-Klasse nicht nur ein Luxusauto, sondern eine fahrende Kathedrale.

     

    Gleichzeitig mehren sich die ersten Zeichen des Niedergangs. Die Pleite der amerikanischen Autoindustrie, immer mehr Qualitätsmängel, weil die Manager noch jeden Cent Profit rausschlagen wollen bevor die Branche am Ende ist.

     

    Die Ölkonzerne halten ihr Wissen über die wahren Reste der Ölvorkommen zurück - dem Konsumenten soll bis zuletzt das Geld mit Autos aus der Tasche gezogen werden. Und selbst wenn sie wüßten, dass es morgen kein Öl mehr gibt würden sie heute noch auf Teufel komm raus Autos verkaufen.