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■ Setzt Italien den Trend für Europa?Auf ein Ergebnis der Parlamentswahlen in Italien mögen sich die Demoskopen nicht festlegen. Auf jeden Fall aber dürfte es starke Auswirkungen auf das künftige Europa geben

Setzt Italien den Trend für Europa?

Die Bemerkung solle er sich gefälligst „gleich wieder in den Mund zurückstopfen“, fuhr Italiens Außenminister Andreatta beim letzten Treffen der EU-Außenminister seinen griechischen Kollegen an. „Das Statement über den italienischen Wahlausgang“ sei „glatte Einmischung in die inneren Angelegenheiten meines Landes“. Der Grieche schüttelte den Kopf, so habe er die Bemerkung bezüglich seiner „Besorgnis über einen Wahlsieg der Rechten mit einem möglicherweise aus der faschistischen Partei kommenden Außenminister“ gar nicht gemeint. Aber wenn man schon bei der Sache sei: Auch damals, bezüglich der Nazis, habe es im nachhinein geheißen, „warum haben die anderen Länder sich nicht gerührt, als die an die Macht kamen und man noch etwas hätte machen können, und nun, wo in Italien...“

Andreatta wollte nichts mehr hören – und dabei hatte er es an sich ganz gerne gehört. Im Grunde war sogar er es gewesen, der die innenpolitische Lawine loszutreten versucht hatte: „Das Ausland“, hatte der christdemokratische Chefdiplomat zu Hause gemunkelt, werde es „gar nicht gerne sehen, wenn die Rechte in Italien mit all den Unwägbarkeiten gerade des aktuellen Wahlbündnisses aus den separatistischen Ligen Norditaliens, dem Politneuling Berlusconi und den großmachthungrigen Neofaschisten an die Regierung kommt.“ Die Bemerkung des Griechen kam ihm da gerade recht; sie bestätigte, was er selbst vorher wohl eher aus dem hohlen Bauch heraus gestreut hatte – und gab ihm gleichzeitig Gelegenheit, als unbestechlicher Sachwalter des Landes alle Einmischlinge in die Schranken zu weisen.

Dabei würde ein Wahlsieg der Rechten am kommenden Sonntag und Montag die Lage in der EU sicher nicht leichter machen. Zwar trennt die „Ligen“ ihr Separatismus vom rechtsliberalen Berlusconi ebenso wie von den zentralistischen Neofaschisten. Doch gerade bei Fragen wie Italiens Balkanpolitik könnten sich schnell Berührungspunkte ergeben, etwa hinsichtlich einer „Heimkehr“ Istriens und einer Hegemonie über einen Gutteil der dalmatinischen Adriaküste.

Starke Auswirkungen auf das künftige Europa

Den „Ligen“ geht es im Gegensatz zu dem ihnen gerne angehängten Prädikat „rassistisch“ weniger um landsmannschaftliche Abtrennung von Rest-Italien als vielmehr um eine Abkoppelung der ökonomisch weniger potenten, am Subventionstropf hängenden Regionen. Die Küstengebiete Ex-Jugoslawiens aber gelten, des Fremdenverkehrs wegen, als attraktive, wirtschaftlich schnell wieder hochpäppelbare Zonen, die sich „Liga“-Führer Umberto Bossi schon vor Jahren in einen Nordstaatlerbund hineindenken konnte.

Dennoch sehen die Auguren die Bedeutung der italienischen Wahlen nicht so sehr in den Konflikten, die sie auslösen, sondern in den Trends, die deren Ergebnis für Europa setzen könnten. Zwar haben die letzten Meinungsumfragen – in den letzten vier Wochen vor der Wahl sind sie verboten – einen starken Aufwärtstrend der „Progressiven“ und ein vorläufiges Ende des Höhenflugs der Berlusconi-Partei „Forza Italia“ vermerkt, dazu einen leichten anstieg des Zentrums. Doch das gilt im Grunde nur für jenes Viertel der beiden Volksvertretungen (Deputiertenkammer und Senat), das noch mit dem Verhältniswahlrecht bestimmt wird. Drei Viertel der Abgeordneten und SenatorInnen aber werden mit dem einfachen Mehrheitswahlrecht gewählt. Das heißt, daß in manchen Stimmbezirken am Ende eine einzige Stimme entscheiden kann, welche Partei gewinnt – und derlei überfordert, bei fast siebenhundert Stimmbezirken, die Demoskopen nun doch.

So sind auch die Kommentatoren, was die verschiedenen Wahlergebnisse betrifft, auf Hypothesen angewiesen. Zumindest aber sind sie sich mit dem Großteil der Auslandspresse darin einig, daß das Ergebnis unterschiedliche, in jedem Falle aber starke Auswirkungen auf das künftige Europa haben kann. Schafft die „progressive Seite“ – immerhin über 40 Jahre von der Macht ausgeschlossen und nun, nach dem Zusammenbruch der nach rechts gedrifteten Sozialisten, endlich in gewisser Weise einig – den Durchbruch, „könnte sich“, so die Londoner Wochenzeitung Economist, „ein neues Modell für Europas Demokratien ergeben: ein nicht mehr auf Parteien, sondern ein auf eher lockere Zweckbündnisse aufgebautes, problemorientiertes System mit stärkerer Transparenz als bisher“. Gewinnt die Rechte und schafft trotz der internen Widersprüche der einzelnen Partner ein zeitweiliges Regierungsbündnis, könnte sie, so besorgt la Repubblica, „den am Horizont dräuenden wirtschaftlichen Aufschwung auf ihre Verdienstseite verbuchen und so auch in anderen Ländern die Rechte entsprechend stärken“.

Und selbst das Abschneiden der zuletzt stark geschrumpften „Mitte“ könnte nach Meinung einiger Beobachter langanhaltende Auswirkungen haben: Kommt sie noch einmal auf 15 bis 17 Prozent, bleibt sie koalitionsfähig und „beweist damit einmal mehr“, so die New York Times, „die Überlebensfähigkeit des alten Systems – und das wird die Gleichgesinnten in den anderen Ländern zum Durchhalten anregen und von notwendigen Reformen abhalten“.

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