Serotoninmangel vor der Periode: Die Augen fallen zu
Unsere Kolumnistin wird beim Schreiben, bevor sie ihr Periode bekommt, manchmal furchtbar schläfrig. Das hat auch mit Serotoninmangel zu tun.
M anches Mal vor meiner Periode fühle ich mich, als wäre jegliche Energie aus mir herausgesogen worden. Nicht immer, ich kenne auch das Gegenteil – den Drang, die gesamte Wohnung umzustellen – sehr gut (Kolumne dazu folgt). Doch manchmal ist mein Akku leer und ich bin nur noch im Stromsparmodus, weil: muss ja.
Diese prämenstruelle Erschöpfung unterscheidet sich von der mir bekannten Erschöpfung als Reaktion auf körperliche oder seelische Anstrengung. Sie lässt sich auf nichts zurückführen. Sie kann nach neun Stunden Schlaf ebenso auftauchen wie nach fünf, sie braucht keinen Anlass. Keinen für mich herzuleitenden. Bis jetzt!
Denn ich habe mir dieses Symptom mal genauer angeguckt und weil ich gerade meinen Eisprung habe, verfüge ich sogar über genug Energie dafür, um mich damit zu beschäftigen. Ich habe diese Kolumne nämlich schon mal begonnen, kurz vor Beginn meiner Menstruation. Damals hieß sie „Das Zufallen der Augen beim Tippen der Wörter“. Und so war das auch, mir fielen die Augen zu, bei der Recherche nach Erklärungen dafür, warum mir die Augen zufielen. Also habe ich aufgegeben und eine andere Kolumne geschrieben. Wahrscheinlich eine, für die ich nur fühlen musste. Mein größtes Talent. Ich schweife ab. Zu viel Energie.
Kaum Energie
Der vor dem Einsetzen der Menstruation abfallende Progesteron- und Östrogenspiegel sorgt leider auch für einen abfallenden Serotoninspiegel (weshalb bei manchen Menstruierenden, die unter PMDS leiden, auch Serotonin-Wiederaufnahmehemmer helfen KÖNNEN). Serotonin ist bekannt als eines der Glückshormone, und wenn der Spiegel anfängt zu sinken, dann kann es (nicht) heiter werden. Was Serotoninmangel mit unserer Stimmung machen kann, ist also klar. Was mir nicht klar war, ist, dass er auch verantwortlich für die Erschöpfung und die zufallenden Augen beim Tippen ist! Ich dachte bis vor einigen Minuten, Serotonin sei nur für Fröhlichkeit und Ausgeglichenheit zuständig, ich hatte es unterschätzt.
Was ich darum möchte: Dass wir aufhören, uns fertig zu machen, wenn wir energielos, erschöpft, im Stromsparmodus sind. Verminderte Funktionsfähigkeit ist natürlich verpönt in der Leistungsgesellschaft. Was sind das für technologische Begriffe? Wir sind doch keine Roboter. Lasst uns unseren inneren Christian Lindner canceln!
Wir dürfen liegen, jammern, auf die Toilette schleichen und selbst diesen Weg noch zu anstrengend finden. Wir dürfen uns krankschreiben, wir dürfen Verabredungen absagen, wir dürfen Essen bestellen, wenn das Kochen zu anstrengend ist. Wir dürfen schlafen oder einfach nur die Decke anstarren. Wir dürfen pausieren, was es zu pausieren geht!
Und wenn man weiß, dass diese Erschöpfung höchstwahrscheinlich vor jeder Periode frei Haus geliefert wird, dann ist mein Rat, seine Pläne schon im Voraus danach auszurichten. Wenn das irgendwie geht. Für Leute mit Kindern ist das natürlich viel schwieriger, doch auch da gilt: Was zu pausieren möglich ist, darf auch mal pausiert werden!
Wir sind nicht faul, wir haben Serotoninmangel, und wären wir faul, wäre auch das total okay! Nimm das, Christian!
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