: Serienschäden wie bei Bernbeck
■ Neue Vorwürfe im UKE-Skandal / Senat bezahlt Wunsch-Gutachter
Arztskandal mit der Tragweite eines Bernbeck-Falls, voreingenomme Gutachter, Versagen der Aufsichtsbehörde - der Hamburger Rechtsanwalt Wilhelm Funke überhäufte Senator Leonhard Hajen gestern in einem offenen Brief mit herben Vorwürfen. Funke vertritt die Patientin Thea S., die 1988 in der Universitätsklinik Eppendorf (UKE) einer offenbar zu hochdosierten Strahlentherapie unterzogen wurde, und die, so Funke, 1992 an den schweren Strahlenschäden verstarb.
Kein Einzelfall, wie heute bekannt ist. Hajen hat bereits zugegeben, daß schon 1990 durch eine Umfrage bekannt geworden war, daß von 123 im UKE zwischen 1987 und 1990 bestrahlten PatientInnen 50 unter „Beschwerden bis hin zu schwersten Nebenwirkungen“ litten.
Laut Funke haben die Vorgänge, die er als „medizinischen Serienschaden“ klassifiziert, die Tragweite des Bernbeck-Skandals. Erneut hätten Ärzte geschwiegen, obwohl einige bereits 1988 nachweislich von den Strahlenschäden gewußt hätten und erneut habe auch die Gesundheitsbehörde als Aufsichtsamt versagt.
Scharfe Kritik übt der Anwalt auch an der jetzigen Benennung von zwei „neutralen Strahlentheraphie-Experten“ durch den Senator. Der beschuldigte Direktor der UKE-Strahlentherapie habe die umstrittene Behandlung in Tübingen gelernt. Dort sei damals Professor Doktor Frommhold Direktor der Strahlentherapie gewesen. Und just dessen Bruder, Professor Doktor Hermann Frommhold von der Uni Freiburg, habe Hajen jetzt als ersten Gutachter benannt. Vor Gericht, so Funke, würde eine solche Verbindung einen Antrag auf Befangenheit rechtfertigen.
In einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses der Bürgerschaft gestern abend sagte Senator Hajen zu, jedem der geschädigten Patienten „einen Wunsch-Gutachter“ zu bezahlen. Bis zum 16. August will er zudem einen umfassenden Sachstandsbericht vorlegen.
sako
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