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Serie der Enttäuschung

Die Chicago Bulls fegten Orlando Magic hinweg und stehen im Finale der US-Basketball-Liga NBA  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Der Spruch von der „Serie des Jahrhunderts“ war von vornherein ein grober Euphemismus, es braucht schon mehr als ein Conference-Finale zwischen den Chicago Bulls und Orlando Magic, um denkwürdige NBA- Endspiele wie etwa die von 1991 zwischen Michael Jordans Bulls und Magic Johnsons Los Angeles Lakers zu übertreffen. Doch was sich dann zwischen den beiden Top-Teams des Ostens abspielte, war doch ziemlich enttäuschend. Die verletzungsgeplagte Mannschaft aus Orlando, welche Chicago letztes Jahr im Viertelfinale ausgeschaltet hatte, besaß diesmal nicht die Spur einer Chance und verlor auch das vierte Spiel trotz einer zwischenzeitlichen 11-Punkte- Führung mit 101:106. Damit stehen die Bulls, die mit 72 Saisonsiegen einen neuen NBA-Rekord aufgestellt hatten, im Finale, wo sie es mit Seattle oder Utah zu tun bekommen.

Bei Orlando erreichten gegen Chicago nur Shaquille O'Neal und Anfernee Hardaway Normalform, im vierten Match erzielten beide 28 Punkte. Enttäuschend vor allem die Distanzwerfer. Dennis Scott, der eine neue Saison-Bestmarke für Dreipunktewürfe aufgestellt hatte, traf in den vier Begegnungen lediglich dreimal. „Es ist wirklich zum Kotzen“, sagte Hardaway, „denn wir sind ein besseres Team, als wir es gezeigt haben. Trotz der Verletzungen ist dies hier schwer zu ertragen.“

Auf das Mitleid von Chicagos Dennis Rodman kann Hardaway allerdings nicht rechnen. „Orlando Magic ist wirklich jung und unreif“, kritisierte der 35jährige den letztjährigen Vizemeister, „sie verstehen nicht die Bedeutung von Intensität, Siegesbegierde und dem Willen, den Grabenkrieg zu gewinnen.“ Rodman war einer der Gründe für die Überlegenheit der Bulls. Er holte nicht nur wie gewohnt seine Rebounds – 14 im letzten Spiel –, sondern demonstrierte auch erstaunliche Offensivqualitäten. Gegen Orlando erreichte er einen Punkteschnitt von 11,5, doppelt soviel wie während der Saison. „Ich liebe es, die Leute zu überraschen“, strahlte der Mann mit dem bunten Kopf, „und in dieser Serie habe ich die Leute überrascht.“

Der überragende Spieler gegen Orlando war jedoch einmal mehr Michael Jordan, im letzten Jahr als Baseball-Flüchtling mit einigen schweren Fehlern noch der Sündenbock beim Ausscheiden gegen denselben Gegner. Mit seinen 45 Punkten machte er im letzten Spiel die Schwächen von Scottie Pippen (12) wett und hat sich längst auch offiziell wieder zum Führer seines Teams aufgeschwungen, nachdem er diese Ehre einige Monate lang zumindest verbal an Pippen abgetreten hatte, woran dieser tatsächlich glaubte. Am Ende seiner Basketball-Demonstration bekam Jordan sogar Beifall von „Penny“ Hardaway. Und Orlando-Coach Brian Hill, der den Klub auch in der nächsten Saison betreuen darf, staunte: „Jordan war unglaublich.“

Der 33jährige selbst konstatierte „ein gutes Gefühl“, verwies aber sogleich darauf, daß weitere Arbeit bevorsteht: „Wir haben noch nichts gewonnen. Jetzt wird es erst richtig ernst.“ Pathetischer drückte es Rodman aus: „Es ist nicht nur unser Ziel, sondern unsere Bestimmung zu siegen. Wenn wir das ganze Ding gewinnen, kann man nicht nur sagen, daß wir das beste Team aller Zeiten sind. Sie sollten dann eine neue Bezeichnung für dieses Team erfinden.“ Ein bißchen dick aufgetragen vielleicht, aber wenn man jemand Übertreibungen verzeiht, dann ist es Dennis Rodman.

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