Serie Digitale Spiele, Teil 7: Zehn kleine Kissen greifen an
Ein großer Spaß für Nintendos kleine Konsole: "Kirby Mass Attack" zeichnet sich durch eine Riesenliebe zum Detail aus und klingt wie ein 5-Spur-Keyboard.
Ganz schlimm fand ich schon immer diese alternden Männer, die ihr Leben lang auf dem Hippie-Rock'n'Roll-Trip – dem Soundtrack ihrer Jugend, der einzig wahren Musik – hängengeblieben sind. Die mit der Leder- oder Jeansjacke verwachsen sind, ihr Haupthaar auch bei Zweidrittelglatze noch rebellisch lang tragen und nicht die geistige Beweglichkeit besitzen, sich elektronische Musik - oder bloß Synthesizer - auch nur probeweise anzuhören.
Dabei bin ich ganz genauso. Bloß dass meine Helden nicht Bob Dylan und Jim Morrisson heißen, sondern Super Mario und Mega Man. Sozialisiert als Nintendo-Fanboy in der ersten Hälfte der Neunziger und längst mit meinem Kapuzenpullover und den Fake-Skate-Sneakern verwachsen, bleiben für mich die einzig wahren Videospiele diejenigen, in denen man noch jeden Pixel einzeln erkennen konnte.
Die dritte Dimension war mir hingegen immer eine zuviel, akzeptieren konnte ich sie höchstens bei Mario Kart. Und eins ist mal klar: Diese Blockbuster-teuren Superproduktionen, 200-Stunden-Minimum-Storys und Echtzeit-Animationen sollen doch nur kaschieren, dass die Programmierer von heute kein richtiges Leveldesign können!
Doch zum Glück gibt es gibt sie noch, die guten Spiele. Als Retrogames im Internet und manchmal auch ganz hochoffiziell von Nintendo. "Kirby Mass Attack" für die Handheld-Konsole Nintendo DS ist so ein klassischer 2D-Plattformer: ohne große Ambitionen, dafür umso sorgfältiger gestaltet. In dem es bonbonbunte Fantasiewelten statt fotorealistischer Grafik gibt, und in dem die Musik so klingt, wie für ein 5-Spur-Keyboard komponiert – und nicht für ein Sinfonieorchester.
Der Held des Spiels, Kirby, ist ein flauschiges rosa Kissen und gehört seit beinahe 20 Jahren zum engeren Kreis der Nintendo-Maskottchen. Anders als in den normalen Kirby-Spielen muss er dieses Mal aber nicht Gegner einsaugen, um ihre Fähigkeiten zu übernehmen, nein: ein böser Zauberer hat Kirby in zahlreiche Mini-Kirbys aufgespalten und das verlangt, rückgängig gemacht zu werden.
So spielt man in "Kirby Mass Attack" auch nicht nur eine Spielfigur, sondern bis zu zehn. Die Kirbys stürzen sich auf Gegner, lassen sich in die Luft schnipsen, als Gruppe vereinen oder zum schweben bringen.
Nun sorgt eine solche Riesengruppe logischerweise für mangelnde Präzision bei der Steuerung, die übrigens ausschließlich über die Touchpad-Funktion des Nintendo DS erfolgt. Zum Ausgleich ist der Schwierigkeitsgrad moderat - halbwegs geübte Spieler sollten wenig Probleme haben, wenn sie einfach nur ans Ziel kommen wollen. Wer aber den Anspruch hat, alle versteckten Medaillen zu finden, alle Level ohne Schaden zu überstehen, alle Minispiele und Extras frei zu spielen und so die Spielfortschrittsanzeige auf 100 Prozent zu bringen, kann einige Zeit mit "Kirby Mass Attack" verbringen.
Das kennt man von Nintendo und auch sonst werden viele Standards erfüllt: Auf Landkarten wandert man von Level zu Level. Auf die Grüne-Hügel-Welt zum Einstieg folgt natürlich eine Wüsten-Welt. Das Leveldesign ist rund und durchdacht, überall warten kleine Gimmicks und Rätsel, Blöcke wollen verschoben, Hebel gezogen, Wasserfälle gestoppt oder verborgene Türen entdeckt werden.
Und vor allem zeichnet sich "Kirby Mass Attack" durch eine Riesenliebe zum Detail aus: Gegner, Welten und Items sind von Leben erfüllt, alles hat Gesichter, zuckt und zappelt – ein großes Gewusel, ein großer Spaß!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“