■ Serbien: Die Proteste gegen Slobodan Milosevic nehmen zu: Die Opposition formiert sich
Die Proteste gegen Slobodan Miloševic in Serbien scheinen keine Eintagsfliege zu sein. Nach Demonstrationen in Cacak und Novi Sad hat es die Opposition jetzt auch in Leskovac und Užice geschafft, Tausende auf die Straße zu bringen. Trotz der Verschiedenheit der beteiligten Gruppen ist eins bei allen Marschierern Konsens: Miloševic muß weg.
Daß dieses Postulat der kleinste gemeinsame Nenner und allenfalls eine – wenn auch die wichtigste – Voraussetzung für einen wirklichen Wandel in Serbien ist, liegt auf der Hand. Doch ist die Frage nach einem verbindlichen Programm derzeit nicht entscheidend für ein erfolgreiches Aufbegehren gegen den jugoslawischen Präsidenten. Ein Knackpunkt ist vielmehr, ob es den oppositonellen Kräften gelingt, ihre Protestbewegung nach Belgrad zu tragen.
Genau aber diesen Versuch könnte Vuk Draškovic unterlaufen. Wieder einmal laviert der serbische Erneuerer zwischen Opposition und Staatsmacht, wobei sich hinter seiner Forderung, nur die Bundesregierung bis zu Neuwahlen umzubilden, nichts anderes verbirgt, als ein Hintertürchen für eine mögliche Zusammenarbeit mit Miloševic offenzuhalten.
Angesichts dieses Zickzackkurses verwundert es kaum, daß sich jetzt Zoran Djindjic als Integrationsfigur der Oppositiosbewegung zu profilieren versucht. Daß der Westen in der ersten Reihe sitzt, wenn es darum geht, den Vorzeigedemokraten zu hofieren, ist verständlich. Schließlich wäre es paradox, Finanzhilfen für Serbien von einem Machtwechsel abhängig zu machen, gleichzeitig aber die Opposition im Regen stehenzulassen.
Nur: Ob der Fokus dabei auf Djindjic eingeengt werden sollte, ist fraglich. Denn im Moment sieht es eher so aus, als ob der Respekt, den Djindjic im Westen genießt, umgekehrt proportional zu seiner Akzeptanz im eigenen Land steht. Die Ankündigung des Chefs der Demokratischen Partei, ein Netzwerk von Protesten zu organisieren, legt einen anderen Verdacht nahe: Daß sich da jemand an die Spitze einer Bewegung stellen und ein Terrain beackern will, das auch andere mit bereitet haben.
Somit dräut eine Neuauflage der Nachwehen vom Winter 1996/97. Auch damals, nach wochenlangen Straßenprotesten, wurde der Versuch einer gemeinsamen Oppositonsstrategie Opfer von Grabenkämpfen und persönlichen Eitelkeiten. Der lachende Dritte könnte am Ende wieder Miloševic sein. Barbara Oertel
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