: Serben wollen Bosnien aufteilen
■ Muslimanen kämpfen verzweifelt um Sarajevo und die Ausweitung ihres Einflußbereichs
Berlin (dpa/taz) — Die Stunde der Aufteilung Bosniens sei gekommen, erklärten Repräsentanten der serbischen Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas. Radovan Karadzic, der Führer der Serbischen Demokratischen Partei, trat gestern für eine Abtrennung der serbischen Gebiete von Bosnien ein. Und der Parlamentspräsident der serbischen Republik in Bosnien, Momcilo Kerajisnik, erklärte, Serben und Muslimanen könnten nicht mehr in einem Staat zusammenleben. Da auch in Kroatien Regierung und öffentliche Meinung der Aufteilung Bosniens zustimmen, sind die Chancen für den Erhalt Bosnien-Herzegowinas in der Tat gesunken. Denn seit vor Tagen in Graz Serben und Kroaten direkte Gespräche über Bosnien-Herzegowina führten, scheint sich eine serbo-kroatische Übereinkunft herauszukristallisieren.
Verzweifelt versuchen die muslimanischen Milizen, die Kontrolle über ihre Gebiete zu erhalten. Doch jetzt haben sie es nicht nur mehr mit Serben und der ehemaligen jugoslawischen Armee zu tun, sondern auch mit den Kroaten, die sowohl in Mostar wie auch in den Kroatenenklaven westlich von Sarajevo nicht zögern, auf Muslimanen zu schießen. In Sarajevo selbst sind die Kämpfe gestern wieder aufgeflammt, nachdem die Verhandlungen über den Abzug von Armee-Einheiten aus zwei Kasernen, die in der Stadt gelegen sind, ergebnislos verliefen. Zwar war am Sonntag eine Übereinkunft erzielt worden, wonach die Soldaten abziehen dürften, die schweren Waffen jedoch vor Ort lassen müßten, doch wurde sie nicht umgesetzt.
Einen Rückzug und Abrüstung der besonderen Art unternahm die Armee am Samstag in Bihac, das im nordwestlichen Teil Bosniens in einem muslimanisch dominierten Gebiet liegt. Die Luftwaffe zerstörte den modernsten jugoslawischen Militärflughafen, der mit fünf Lande- und Startbahnen sowie fünf Kilometern unterirdischer Anlagen ausgestattet war. „Zehn Jahre lang wurde der Flughafen unter erheblichen Kosten (fünf Milliarden Dollar) gebaut und in zehn Minuten zerstört“, berichtete die Belgrader Presse.
Unterdessen machte der serbische Außenminister Vladislav Jovanovic in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung 'Die Presse‘ Deutschland und Österreich für die Eskalation des Bürgerkrieges in Bosnien verantwortlich und bedauerte, daß die EG und die KSZE sich diesem Druck gebeugt hätten. Der iranische Außenminister Ali Akbar Welajati forderte dagegen ein „außerordentliches Treffen“ der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), um die Krise in Bosnien- Herzegowina zu beraten. In einem Brief an OIC-Generalsekretär Hamid Algabid regte Welajati unter anderem Sanktionen gegen Serbien an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen