: Septett mit Putzkolonne
■ Der Flughafen als Gesamtmusik-spektakel: Deutsche Erstaufführung von Hans Joachim Hespos' „Black Beauty“
„Herr Bieler bitte zur Information, Herr Bieler bitte zur Information“ – „Soeben gelandet die Maschine XY aus Las Vegas...“ Die Ansagen der Abflughalle gaben der Szene ein spezifisch bremisches Profil. Passend zu jenen „komplexen Unzusammenhängen“, die der Komponist Hespos mit seinem neuen Werk „Black Beauty“in Szene setzen möchte.
Auf einem Podest die weiße Trommlerin, laut Hespos-Partitur „sehr giftig“; sie lauert auf die Möglichkeiten, sich als „leises jaulgesirr“ ins Spiel zu bringen. Eine Fülle von Licht- und Kabelutensilien werden vom Arbeiter, der gelegentlich Klavier spielen soll („zuweilen in gehetzten Schwirrungen“), bedient und durcheinandergebracht. Gleiches tut der Lichtassistent: Er soll „nerviges gemisch unterschiedlicher Lautlängen“ herstellen. Dann sitzt da einer und zerschneidet die Zeit (sprich einen Film). Eine Schauspielerin, sie heißt „fraul“, „verheddert sich in Endlosigkeit“; auch muß sie sich „abseitig irgendwo zeratmen“. Schließlich gibt es da den gut riechenden Traumtänzer-Aberwitz „Coq“, dem „faszinierende Gelassenheiten“ abverlangt werden, aber auch „verzückte Fermaten“ und Ausbrüche „von erschreckender Barbarei“.
Für alle diese Personen hat Hespos ein genaues Partiturblatt geschrieben, und jeder macht da so seinen Kram. Hespos hatte mit dem „Fragment eines Aufbruchs zum integralen Theater“ (1979), dann mit dem „szenischen Abenteuer“ „Seiltanz“ (1982) und vor allem dem Musiktheater „Za' Khani“ (1984) eine gesamtästhetische Konzeption des integralen Musiktheaters entwickelt. Dieses verzichtet konsequent auf die gewohnten Rollen als auch auf die Unterschiede zwischen Musik und Materialien, zwischen Farben und Gesten, Gerüchen und Licht. Im Gegenteil: Alles zusammen bedeutet hier Musik und bedingt einander.
Niemand der sieben geschäftig hantierenden und spielenden Personen hat irgendetwas mit den anderen zu tun. Auch die durcheilende Putzfrau des Flughafenpersonals mit ihrem riesigen Putzwagen fügt sich da nahtlos ins Nichtgeschehen ein, ebenso der Nadelstreifenherr, der zum Abflug hastet. Nicht zu vergessen die Kinder im Publikum: schallendes Gelächter über die „aberwitzigen Verrichtungen“ des Tänzers; bald flogen auch ein paar Papierflieger durch die Halle, angeregt wohl durch die sich in Pappe wälzende Schauspielerin.
Eine vielleicht gewollte tragische Komponente über Einsamkeit ergab sich nicht. Alles blieb im einzelnen intensiv, im Zusammenhang beliebig, lustig manchmal, langweilig oft und mit ganz wenig „Sound“: Nur die Trommlerin machte sich sporadisch mit ihrem „scharf-giftig“ gestimmten Instrument hörbar.
Das kennt man nun wahrhaftig schon von Hespos, wobei diesmal ein Moment der Zartheit neu zu sein schien: Alles läßt er ganz langsam kommen, überrollt niemanden und nichts. Aber „fürchterliche starrstillen“ oder „ahnungen galaktischen Glühens“, wie es in der Partitur heißt? Trotz des eindrucksvollen Einsatzes von Sigrun Kaethner (fraul), Rolf Hammes (Coq) und Sylwia Zystynska (Trommel) wohl eher nicht.
Die Uraufführung fand im Luxemburger Bahnhof statt, jetzt zieht die Truppe in ein Karlsruher Foyer. Dies alles könnte aber auch passieren in einem Schwimmbad, einem Finanzamt oder auch einer Montagehalle. Das zahlreich erschienene Publikum war neugierig, ratlos, angetan, abgestoßen, manche gingen gleich, andere hielten's aus. Ute Schalz-Laurenze
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