Separate Schulbücher für Mädchen und Jungs: Rechnen mit Prinzessin Rosarot

Der Verlag Pons bringt Lernbücher separat für Mädchen und Jungen heraus - um die Kinder speziell zu "motivieren". Darin spielen Mädchen nur mit Mädchen.

Schlamm-Monster nur für Jungs: Schulanfänger. Bild: dpa

"Weil Mädchen anders lernen", prangt es in rosa auf dem neuen Lernhilfebuch. "100 Aufgaben, die Mädchen wirklich begeistern", lockt die Unterzeile Eltern und LehrerInnen zum Kauf. Auf dem Cover sieht man zwei feenhafte Mädchen mit Engelskostüm und goldener Krone, die sich kichernd umarmen. Für Jungs gibt es eine separate Edition: in blau, auf der ein Foto von sechs kleinen Kerlen zu sehen ist, mit schmutzigen Knien und Fußball in der Hand.

Aus dem sonst so renommierten Hause Pons stehen normalerweise gründlich recherchierte Wörter- und Grammatikbücher in den Regalen der Buchläden. Nun hat der Verlag neue Lernhilfen für Grundschüler herausgegeben, die stutzig machen: Je ein Buch mit Diktaten und eins mit Matheaufgaben - für Jungs und Mädchen getrennt. Wo viele LehrerInnen und Eltern seit Jahren versuchen, Kinder aus starren Rollenklischees herauszuholen, setzt Pons auf alte Stereotype.

Das Ergebnis ist haarsträubend. In den durchwegs rosa illustrierten Büchern spielen Mädchen grundsätzlich mit Mädchen. Und so lauten die Aufgaben: Die Drillings-Meerjungfrauen Nele, Mia und Lara wollen sich genau den gleichen Haarreif und Flossenstrumpfhosen kaufen - wie viele Dinge kaufen sie insgesamt? Prinzessin Rosarot hat 45 Glitzersteine in ihrem Säckchen - wie viele Steinchen hat sie verschenkt, wenn sie nur noch 15 übrig hat? Wenn man so nicht mehr Mädchen für Mathematik und Naturwissenschaft begeistert, wie dann?

In den blauen Büchern geht es so: Oskar geht mit seinen beiden Brüdern auf den Fußballplatz - wenn noch vier Freunde kommen, wie viele Kinder sind es insgesamt? Kjell züchtet neun Spinnen - wie viele Beine laufen in seinem Terrarium herum?

In der Mitteilung des Verlags heißt es, es werde in den Büchern die "natürliche Bewegungsfreude" der Jungen fürs Lernen genutzt. Mädchen hingegen fänden "ihre heißgeliebten Pferde genauso wieder wie kreative Anregungen zum Basteln". Warum Sebastian Weber, Verlagsleiter Pons Selbstlernen, dann behauptet, der Verlag wolle "nicht altbekannte Klischees zementieren", erschließt sich nicht.

Denn sogar das Vokabular wird in feminin und maskulin aufgeteilt. So lernen die Kinder im Grundschulalter zusätzlich zur Vorgabe, wer mit wem spielen sollte, gleich die passende Wortwahl für ihresgleichen. Im Diktatebuch für Mädchen reimt sich "piep" auf "lieb". Auf der gleichen Seite bei den Jungs reimt sich "piep" auf "Sieb". Jungs sind ja auch nicht lieb.

Besonders skurril wird es, wenn man betrachtet, wie Hexen in den Büchern völlig unterschiedlich dargestellt werden. In den Jungenbüchern sind Hexen böse, herrschsüchtig und uneinsichtig: Die "Hexe Warzana" will Monster erwecken und damit ihre "Kraft" zur Schau stellen. Der vernünftige Zauberer Simsalabim warnt sie, sie solle sich ihre "Hände" nicht "schmutzig" machen. Dann wird sie "flapsig" und behauptet, er würde "Quatsch" reden. Das Ergebnis des Streits: "Ein schlammfarbenes Monster tauchte auf, packte die kreischende Hexe und verschwand spurlos mit ihr." Bei den Mädchen hingegen sind die Hexen im Diktatebuch sanft. Die "Hexe Pia" steht morgens "voller Heiterkeit und Fröhlichkeit" auf, sonnt sich und schwimmt eine Runde im See. Offensichtlich hat die nette, nicht berufstätige Hexe aus dem Mädchenbuch viel weniger Stress im Leben als die machtsüchtige aus dem Jungenbuch. Das Kind lernt: Herrschsüchtige Frauen werden vom Monster gefressen, die lieben genießen ihre Freizeit.

Trotz solcher haarsträubender Unterschiede in den Büchern zeigt sich beim näheren Durchsehen aber auch, dass oft die gleichen Geschichten erzählt werden - nur die Namen werden dem Geschlecht angepasst. Heraus kommen dann kleine Pannen wie im Mädchen-Diktat "Nina zieht in der Halloweennacht mit seinen (sic) drei Freunden von Haus zu Haus."

Immerhin, ab und zu taucht in den Büchern das andere Geschlecht auf - aber nur, damit man sich gleich wieder abgrenzen kann. Im rosa Mädchenbuch für Diktate will ein Mädchen nicht mehr mit "Puppen spielen". Sie nimmt sich einen Fußball und schießt ein Tor. Doch: "Dann kommt Bianca mit einem Malbuch. Schnell wird Anna wieder zum Mädchen."

Auch im Jungenbuch für Diktate darf einmal ein Mädchen vorkommen. Auf Seite 66 sitzt ein Burgfräulein auf dem Burgturm. Sie isst "lustlos" ein Stückchen Brötchen, fühlt sich wie ein "Häuflein Elend" und wartet auf ihre Rettung. Plötzlich sieht sie einen "Ritter in schimmernder Rüstung" und schöpft wieder Hoffnung.

Und so verdoppelt der Verlag durch die Geschlechtertrennung die Verkaufszahlen.

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