piwik no script img

Sender sparen KostenTV-Produzenten unter Druck

Die TV-Produktionsfirmen klagen über gekürzte Budgets. Bei der Programm-Messe Mipcom in Cannes gelten internationale Kooperationen als rettende Strategie.

Roter Teppich ohne Blitzlichter: TV-Programm-Messe Mipcom in Cannes.

Die Hiobsbotschaft kam pünktlich zu Beginn der großen TV-Programm-Messe Mipcom in Cannes: Neuesten Studien zufolge wird in diesem Jahr in Großbritannien zum ersten Mal mehr Geld für Werbung im Internet investiert als für Werbung im Fernsehen - der erste bedeutende Werbemarkt ist geknackt, weitere dürften bald folgen. Damit werden die Probleme der Privatsender nach Wirtschaftskrise und Umsatzeinbrüchen von bis zu 20 Prozent auch nicht kleiner - was an der Côte dAzur einmal mehr die Produzenten deutlich zu spüren bekommen haben.

Allein in England sollen laut der Lorraine Heggessey von Talkback Thames in den nächsten zwei Jahren 200 Millionen Pfund weniger für fiktionale Produktionen zur Verfügung stehen. Waren vor kurzem noch 800.000 bis 900.000 Pfund für eine Stunde Drama üblich, sind es jetzt noch um die 500.000.

Die Sender sparen da, wo eigentlich größtmögliche Qualität gewährleistet sein sollte: am Programm. "Bei Doku-Soaps betragen die Kürzungen 20 Prozent", sagt Hansjörg Füting, Geschäftsführer der Neuen Deutschen Filmgesellschaft. Sein Kollege Martin Husmann von Blue Eyes kritisiert: "Sinkende Produktionsbudgets im deutschen TV-Bereich verursachen eine Kreativ-Flucht in jede Richtung: hin zu Kino, Internet oder Werbung. Zunehmend gelangweilt von kostengünstigen Wiederholungen und der x-ten Billigkopie suchen sich die Zuschauer neue Alternativen und schwächen die sparwütigen Konzerne noch mehr." Und Rudolf Runge von Runge TV verweist auf den hohen Arbeitsdruck, dem die Mitarbeiter durch immer mehr Überstunden ausgesetzt seien.

Aber nicht nur die Privatsender drehen an der Kostenschraube, auch die Öffentlich-Rechtlichen werden allmählich knauserig. Denn ARD und ZDF befürchten einen drastischen Anstieg der Hartz-IV-Empfänger, was zu einem Verlust von Gebühreneinnahmen im dreistelligen Millionenbereich führen könnte.

Die, die überleben wollen, müssen letztlich ausländische Partner finden. Dabei sind große Unternehmen, die oft sowieso schon in einem internationalen Konzernnetzwerk agieren, im Vorteil. So wie die UFA Fernsehproduktion und Talkback Thames, die bereits im vergangenen Jahr eine gemeinsame Folge von "Soko Leipzig" und der englischen Serie "The Bill" drehten. In Südfrankreich gaben die beiden Produktionsfirmen jetzt eine Kooperation für eine "deutsch-englische Unit zur Formatentwicklung für den internationalen Markt" bekannt. Das erste Projekt läuft unter dem Arbeitstitel "Brennpunkt Berlin", eine Krimireihe, die auch direkt in englischer Sprache produziert werden soll. Als Abnehmer wünscht sich UFA-Chef Norbert Sauer das ZDF und den englischen Sender ITV: "Wir wollen mit dieser Zusammenarbeit gegen die großen US-Serien konkurrieren."

Jan Mojto von Beta Film realisiert schon lange aufwändige europäische Koproduktionen. "Zurzeit gibt es eine verstärkte Nachfrage nach internationalen Kooperationen", sagt Mojto. "Für rein deutsche Produzenten wird es schwierig werden." Das bestätigt auch die Geschäftsführerin des internationalen Programmvertriebs German United Distributors, Silke Spahr: "Noch vor zehn Jahren wurde etwa eine Dokumentation komplett vom Sender produziert. Heute bekommen die Produzenten weniger Geld. Da werden Vorverkäufe ins Ausland und Koproduktionspartner umso wichtiger." Der Produzent Robert Smeaton sieht allerdings Gefahren für die kleineren Produzenten: "Diese stehen oft für Qualität und Kreativität und könnten durch die aktuelle Entwicklung verschwinden."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • RB
    Ralf Becker

    Die Sender haben gar keine andere Wahl, als beim Programm zu sparen, denn die Margen-Zange aus sinkenden TKPs, geringerer Auslastung und steigenden Kosten (z.B. für Web-Distribution) greift unerbittlich zu. Und gerade wenn einem ein Finanzinvestor in Nacken sitzt, muss die marge schnell geradeaus gefahren werden. Da die Cases auf Umsatzseite eher kleinere, bestenfalls mittlere Millionen- aber keine Milliarden-Cases sind, bleibet nur noch die Einsparung. Und da man schon mit mehr als einem 25% Praktikanten arbeitet und sonst am Personal kaum gespart werden kann, ist der Content der letzte verbliebene Kostenblock.

    Welche Auswirkungen das auf die Content-Industrie aber auch auf die Zuschauer hat, hat MEDIARISE kürzlich in einer Delphi-Studie mittels mehr als 120 Interviews mit Führungskräften in der Branche analysiert - keine Fragebögen-Interviews, sondern Tiefen-Interviews! Zu sehen unter www.mediarise.de