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Senatsdisco für den Homo-Nachwuchs

Jugend- und Familiensenator Krüger finanzierte schwul-lesbische Jugenddisco / Wer über 18 war, durfte am Samstag nicht ins „Connection“ / Gemein: Der Darkroom blieb dicht  ■ Von Micha Schulze

Es hatte etwas von Kindergeburtstag. Bunte Luftballons schmückten am Samstag abend den Eingang der schwulen Szenedisco „Connection“, und zwar zu einer Zeit, wo gewöhnliche Homosexuelle noch vor dem Spiegel stehen. Um 18 Uhr. Das Infoprojekt Mann-O-Meter hatte den Anmachladen in der Fuggerstraße für eine schwul-lesbische Jugenddisco gemietet und dabei Öffnungszeiten und Einlaßkontrollen auf den Kopf gestellt: Nur wer unter 18 war, durfte rein, Volljährige mußten draußen bleiben.

Die Idee, dem Homo-Nachwuchs einen „Schonraum“ anzubieten, hatte Mann-O-Meter schon vor einem Jahr. Doch erst jetzt flossen Gelder der „Homo- Beamten“ von Jugend- und Familiensenator Thomas Krüger (SPD). „Es gibt für diese Jugendlichen kein vergleichbares Angebot“, konnte sich sein Referent Claus Nachwey mit der Coming- out-Disco anfreunden, von der er sich auch einen Beitrag zur Aids- Prävention erhofft. „Die Hemmschwellen, in die Sub zu gehen, sind bei Schülern groß“, begründete Bastian Finke von Mann-O-Meter die Aktion, die von den drei Berliner Jung-Homogruppen Lambda, AHA und Antarius unterstützt wurde. Junge Lesben wurden, wie sooft, nur am Rande angesprochen: Das Plakat zur Aktion zeigte zwei schnuckelige Boys, das Motto: „Ich steh' auf ihn, aller Anfang ist schwer.“

Letzteres bekam auch Mann-O- Meter zu spüren: Mit rund 30 Kids rundete Bastian Finke die Zahl der Besucher großzügig nach oben auf, wobei die meisten aus den mitveranstaltenden Jugendgruppen kamen. Doch gerade diejenigen, die sich seit langem offen in der Szene bewegten, waren begeistert. „Ich steh' auf Gleichaltrige, hier habe ich endlich die Möglichkeit, viele kennenzulernen“, meinte der 17jährige Fabian. André aus Spandau lobte den freien Einlaß und die „zivilen“ Preise – in der bei Junghomos beliebten „Busche“ hätte er allein für den Eintritt sieben Mark berappen müssen.

Andere Kids ließen ihrem Frust über die Szene freien Lauf. „Wenn du als 16jähriger in die Sub gehst, wirst du permanent von alten, aufdringlichen Tucken umlagert“, beschwerte sich der Schönling Ralph. Völlig aus der Luft gegriffen scheint seine Erfahrung nicht zu sein: „Die ganze Zeit scharwänzelten auffallend viele ältere Schwule um die Eingangstür herum“, beschrieb Bastian Finke die unerwarteten Folgen der Ankündigung der Jugenddisco in der schwulen Presse.

„Das Coming-out ist in Berlin sicher einfacher als in der Kleinstadt und in den vergangenen Jahren auch leichter geworden, aber Homosexualität ist noch lange keine gleichberechtigte Lebensweise“, erklärte der Sozialpädagoge Dirk Wagner vom Jugendnetzwerk Lambda das Fernbleiben junger Coming-out-Kandidaten. Vor allem in der Schule werde noch zuwenig aufgeklärt. Mittlerweile habe Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) zwar seinen Widerstand gegen Besuche von Homogruppen in Klassen aufgegeben (1993 gab es rund 80 derartiger Aktionen), nach wie vor mangele es aber an Unterstützung „von oben“.

Wagners Traum ist ein schwul- lesbisches Jugendcafé, bei dem die Altersgrenze nicht so stark gezogen werden sollte wie bei der Disco: „Als Leiter von Coming- out-Gruppen habe ich es auch mit Leuten über 30 zu tun.“ Auch Roland Krämer von der AHA glaubt, daß die Hemmschwellen für homosexuelle Jugendliche bei einem nichtkommerziellen Ort weniger groß seien.

Mann-O-Meter will die Jugenddisco am 26. Februar dennoch mit altem Konzept wiederholen. Eine großformatige Anzeige, die Bastian Finke in der Jugendzeitschrift Bravo schalten will, soll die Kids dann scharenweise in die Fuggerstraße locken. Allerdings erwartet sie auch im Februar nur Connection „light“: Wie schon am Samstag, wird die eigentliche Attraktion der Schwulendisco, die große Darkroom-Etage, geschlossen bleiben.

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