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Senator unter Krawall–Zwang

■ Die Berliner Behörden reden den Anti–Reagan–Krawall geradezu herbei

Berlin (taz) - Auf bundesdeutsche Polizeiuniformen werden Bären aufgenäht, Ausrüstung und Beamte beleben den Flugverkehr, und die 34. Bereitschaftspolizeihundertschaft hat für die Berliner in wochenlanger Arbeit 100 Absperrgitter überholt und neu lackiert. Die polizeiliche „Generalmobilmachung“ und der „Knüppeltourismus“ verschlingen Millionen. Außerdem hat der Import von Polizisten aus der Bundesrepublik Diskussionen über den Berlin–Status ausgelöst, und Innensenator Kewenig hat das wichtigste Argument verloren, um eine weitere personelle Verstärkung der Ordnungskräfte in der Mauerstadt zu fordern. Ein hoher Preis muß irgendwie gerechtfertigt werden, am besten mit der Anzahl der festgenommenen Demonstranten. Innensenator Kewenig ist jetzt darauf angewiesen, daß Autonome und Militante am 11. und 12. Juni tatsächlich zum mittelalterlichen Kräftemessen auf den Kurfürstendamm eilen. Doch die Innenverwaltung scheint derzeit das Gespenst umzutreiben, daß die vielbeschworenen in– und auswärtigen Chaoten ausgerechnet dann, wenn 10.000 Ordnungshüter zu ihrer Festnahme bereit stehen, die gewünschte Randale nicht liefern. Seit einigen Tagen sind die Behörden daher eifrig bemüht, durch Informationen an die Presse die Krawalle herbeizureden und herbeizuorganisieren. Deeskalation scheint Innensenator Kewenig derzeit nicht opportun zu sein. So ließ er an alle Berliner Lokalredaktionen den Aufruf zur „Hönkel–Aktionswoche“ verteilen. Darin würden „Rebellinnen, Chaoten, Pyromanen, Gelegenheitsdiebe und Pl Die Medien stimmen brav auf die Kampagne ein, Springers Welt zitiert auf Seite 1 den Hönkel–Aufruf, und der öffentlich rechtliche SFB kündigt schwere Tage an und wünscht den Berlinern „gute Nerven“. Tatsächlich muß Kewenig vor allem wohl vor einer Ankündigung im „Hönkel–Aufruf“ Angst haben: „Wir lassen uns unsere Kampfform und Lust, den Zeitpunkt und den Ort und die Dauer und den Anfang nicht von Ihrem Rahmenplan bestimmen.“ Eine gigantische Selbsteinkesselung der Berliner und der zugereisten Polizei wäre das schlimmste, was dem Berliner Innensenator zum Reagan–Besuch passieren kann. wollo

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