: Senator giftet gegen Journalisten
■ Nicht der Skandal um die Müllverbrennungsanlage Schöneiche in der DDR, die Berichterstattung der Medien darüber ist zentrales Thema im Berliner Senat
Berlin (taz) – West-Berlin hat einen neuen Skandal. Seit die taz und das Fernseh-Magazin Kontraste über die Giftmüllverbrennungsanlage Schöneiche in der DDR berichteten, die 20 Kilometer südlich von Berlin mit West-Devisen, aber ohne westliche Umweltauflagen gebaut wird, schlagen im Berliner Senat und im Abgeordnetenhaus die Wellen der Empörung hoch.
Die Oppostion fordert eine sofortige „Nachrüstung“ der Anlage in der DDR mit modernen Filtern, um eine noch stärkere Luftbelastung für Berlin abzuwenden. Die Koalition aus CDU und FDP ist ebenfalls in Rage: Weil eine der Kontraste-Autorinnen auch bei der taz arbeitet, witterte der für den Bau der Anlage verantwortliche Betriebssenator Wronski (CDU) unseriöse Machenschaften.
In einer eilig einberufenen Sondersitzung des Umweltausschusses wetterte Wronski heftig gegen den Kontraste Bericht. Die Kritik an der Anlage – alte, schlechte Filter, zu niedrige Verbrennungstemperaturen, keinerlei Kontrolle und keine sichere Entsorgung der hochgiftigen Verbrennungsrückstände – widerlegte er nicht. Dies stellte auch die regionale SFB-Abendschau in ihrem Bericht über Wronskis Auftritt vorm Ausschuß fest. Seitdem ist der Skandal perfekt. Weil er durch die Berichterstattung „tief getroffen“ sei, funktionierte der Senator die anschließenden Debatte über Schöneiche im Abgeordnetenhaus zum Journalisten-Tribunal um und entlarvte die „Desinformationsgemeinschaft“, die taz, Kontraste und Abendschau gebildet hätten. Die AutorInnen hätten sich mit ihren Berichten so weit von „journalistischer Information“ entfernt, daß er „Namen nennen müsse“, erklärte Wronski und verlas die Namen der AutorInnen. Daß Journalisten namentlich von einem Senator vor dem Abgeordnetenhausplenum für ihre kritische Berichterstattung angeprangert werden, sei in Berlin „absolutes Novum „ versichern langjährige Parlamentsbeobachter.
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