: Senator Krüger auf Männerpirsch
■ Die Schwusos luden Jugendsenator Thomas Krüger zum Cruising in den Friedrichshain/ Schwule flohen aus den Büschen/ Krüger beschwichtigte: »Sex im Park ist auch bei Heteros ganz natürlich«
Friedrichshain. Neue Gesichter im schwulen Freiluftsexgebiet im Volkspark Friedrichshain werden stets mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Ganz anders am Samstag nachmittag. Als zwischen den Büschen plötzlich der Rauschebart von Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) auftauchte, stoben einige so erschrocken auf und davon, daß sie nicht einmal ihre Hose wieder in die richtige Position brachten.
Nicht sein Coming-out, sondern eine Einladung der SPD-Homoorganisation Schwusos hatte den umtriebigen Jugendsenator in den Friedrichshain geführt. Direkt am Märchenbrunnen warben die schwulen Nachwuchssozis mit einem Infostand, den sie standesgemäß mit rosa Deckchen und Luftballons dekoriert hatten. Mit dem barschen Hinweis »Geht wählen!« wurden Pfannkuchen, Maibowle und Cruising-Packs verteilt, in denen sich statt Kondomen allerdings Broschüren und Flugblätter befanden. Damit haben sich die Schwusos allerdings einige Stimmen verscherzt. Wenn sich Männer im Park begegnen, haben sie schließlich etwas anderes vor, als im Gebüsch das Faltblatt »Über die Notwendigkeit von Bewußtseinsarbeit und den Dialog mit der heterosexuellen Mehrheit in unserer Gesellschaft« zu studieren.
»Ich bin leider hetero«, bedauerte Jugendsenator Krüger in einem Interview mit dem schwulen Fernsehen, doch die Atmosphäre im Cruising-Park schien ihm weitaus besser zu gefallen als die im Roten Rathaus. Nicht vergessen hat Thomas Krüger die rüde Kritik von Parteifreundin Jutta Limbach und Regierungschef Eberhard Diepgen, als er sich im vergangenen Monat für die Homo-Ehe stark gemacht hatte.
Daß er sich als Cruising-Gast im Friedrichshain erneut in die Nesseln setzen könnte, glaubt Krüger nicht. »Sex im Freien ist auch bei Heteros ganz natürlich«, weiß er zu berichten. Im Treptower Park am Gasthaus Zenner und im Tiergarten komme es ebenfalls vor, daß junge Hetero-Liebespaare sich nicht zurückhalten könnten. Thomas Krüger schmunzelnd: »Ich spreche da aus eigener Erfahrung.«
Doch nicht zur Offenbarung seiner Jugendsünden war der Senator der Einladung der Schwusos gefolgt, sondern aus klarem Kalkül. »In Berlin gibt es 200.000 bis 300.000 Schwule und Lesben, das ist eine relevante Gruppe, die wir als Wähler nicht vergessen dürfen.« Wenn die Homos nicht zur Wahl gingen, befürchtete Krüger, könnten die radikalen Parteien davon profitieren.
Mit der Einladung des Jugendsenators habe man zeigen wollen, daß die Schwusos nicht spießig sind und für eine Vielfalt schwuler Lebensformen eintreten, begründete Schwuso- Chef Reinhard Naumann die Aktion. Er räumte jedoch ein, daß die Mutterpartei mit schwulen Themen insgesamt noch »gewisse Schwierigkeiten« habe.
Eigentlich war auch SPD-Landeschef Walter Momper als Cruising- Gast vorgesehen, ihm kamen jedoch »wichtige Termine« dazwischen.
Ehe in den Abendstunden die Hochsaison im Friedrichshain begann, waren die Schwusos wieder verschwunden. Zum Glück, meinte ein Mittdreißiger, der die Wahlkampfaktion als Störung empfand: »Stellen Sie sich einmal vor, in Ihrem Schlafzimmer baut eine Partei ohne Sie zu fragen einen Tapetentisch auf!«
Noch vor den Schwusos hatte sich der Jugendsenator abgeseilt. »Ich wurde von keinem einzigen Mann angemacht«, zog er zuvor Bilanz. Das jedoch wäre auch am späteren Abend kaum anders gewesen: Mit diesem Bart hat Krüger bei Schwulen einfach keine Chance. Micha Schulze
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