■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Senat kopflos
15.000 „VIPs“ erwartet Bremerhavens Wirtschaftsförderer auf der diesjährigen Parade der Segelschiffe, der Sail, zwischen dem 30. August und dem 3 September. Insbesondere die Großsegler hätten es vielen Firmen als besondere Kulisse für den Empfang ihrer Geschäftskunden angetan. Da darf auch der Bremer Senat nicht fehlen. Am Sonntag, 10.45 Uhr, soll die Stad Amsterdam loslegen, um 20.30 Uhr ist dann „erstes Aussteigen“ am Columbusbahnhof in Bremerhaven.
So viele Stunden musste es der Senat lange nicht mehr in demselben Boot aushalten. (Die Senatssitzungen, dienstags um 11 Uhr eröffnet, sind um 11.20, spätestens 11.35 Uhr beendet, völlig unabhängig von der Länge und der Bedeutung der Tagesordnung hat sich die Landesregierung da offensichtlich nicht mehr viel zu sagen.) Wie komplett der Senat an jenem 3. September die 10 Stunden gemeinsam auf einem Deck verbringen wird, ist auch noch ganz offen. Viele Zusagen hat der Bürgermeister bisher noch nicht bekommen, aber das mag auch an der Ferienzeit liegen. Es könnte auch an einem kleinen anderen protokollarischen Missgeschick liegen. Zwar lädt „Bürgermeister Dr. Henning Scherf herzlich ein“, an der Windjammer-Parade auf der Stad Amsterdam teilzunehmen, aber selbst wird er nicht dabei sein. Damit nicht der Eindruck aufkommt, Scherf sei ein schlechter Gastgeber, ist auf der Rückseite der Einladung gleich erklärt, warum er nicht bei seinen Gästen sein wird: Er wird auf der Fregatte „Schleswig-Holstein“ bei Heidi Simonis und Gerhard Schröder die Parade „abnehmen“. Es gibt eben einfache VIPs und Doppel-VIPs, also VIP-VIPs. Macht dieser Hinweis einem Gastgeber Ehre?
Wer vom Senat der Einladung dennoch folgt, wird auf die Ehre des Bürgermeisters verzichten müssen, dafür in ganz anderer Gesellschaft sein. Von den zwei Dutzend Firmen im Förderverein der Bremen-Marketing-GmbH haben die allermeisten abgewunken. Einige mehr oder weniger staatliche Gesellschaften haben zugesagt, mit dabei ist auf jeden Fall die Firma des gleichnamigen, rechtskräftig verurteilten Steuerhinterziehers Karl Könecke. Zugesagt hat auch die Atlanta-GmbH des immer wieder durchsetzungsfähigen Kaufmanns Bert-Artin Wessels, der in den letzten Monaten schon kräftig „mitregiert“ hat, als die Senatorin für Stadtentwicklung ihr Konzept für die alten Hafenreviere vorstellen wollte.
Würstchen also und Bananen satt. Darf denn Beck's auf dem Senatsschiff fehlen, sorgt sich Ihre Rosi Roland
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