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Semesterbeginn der HochschulenDie hohe Kunst des Schwachsinns

Wer heute zu studieren beginnt, muss prahlen, plustern, tarnen und täuschen lernen. Nirgendwo wird so viel geblufft wie an den Unis, sagt Professor Wolf Wagner.

Erstsemester-Veranstaltung an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Bild: dapd

1. Psychologische Grundlagen

Als Björn sich in der Einführungsveranstaltung zu seinem Nebenmann dreht, trifft ihn ein Blick, so unnahbar, dass auch Björn nichts mehr einfällt. Reden Sie mit Ihren Sitznachbarn, lernen Sie sich kennen, hatte der Dozent gesagt. Aber der Hörsaal bleibt still.

Es ist dieser typische Blick, der leicht seitliche, die aufeinandergepressten Lippen und der gleichzeitige Versuch, intellektuelle Coolness auszustrahlen, ein skeptisches Umherschauen, ein betont gelangweiltes Nicken. Man begegnet solchen Blicken überall; sie treffen einen in den Seminarräumen, wenn alle auf den Dozenten warten. Und während man sich in eine der hinteren Reihen lümmelt und willkürlich mit neongrünem Marker Textpassagen anstreicht, beginnt man selbst so zu schauen, ohne es zu merken.

„Da ist die Hemmung unglaublich groß, etwas zu sagen“, sagt Wolf Wagner, ehemals Rektor der Hochschule Erfurt und Experte für akademischen Bluff. Wer dann doch die Hand hebt, sondert gleich einen Schwang kluger Theorien ab, um unter all den klug Schauenden das Gesicht zu wahren.

Sonja, 28 Jahre, Philosophiestudentin, hat ganz ähnliche Erinnerungen an ihre Anfänge. Zum Beispiel dieses Seminar damals über Kant: „Du liest das Ding zum ersten Mal und hast unheimlich Schwierigkeiten, es zu verstehen und das überhaupt in eigene Sprache zu packen. Und dann melden sich die Leute, die schon sämtliche Interpretationen der Sekundärliteratur kennen. Und du sitzt nur da und denkst dir: Okay …“

Anton, 20 Jahre, beginnt ebenso wie Björn gerade sein Politikstudium an der FU. „Das Bluffen, das gab es ja schon im Abitur, in den Leistungskursen“, sagt er. „Da ging es auch oft nur darum, einen klugen Eindruck zu hinterlassen.“

„Aber an der Schule kennen Sie sich untereinander. Das ist der Unterschied“, sagt Bluff-Theoretiker Wagner. „Sie wissen, was in den Köpfen Ihrer Mitschüler drin ist. An der Uni sitzen Sie heute mit diesen 50 Leuten im Seminar und morgen mit 50 ganz anderen. Das ist die Voraussetzung für den Bluff.“

Was Björn, Sonja und Anton beschreiben, zeigt: Grundkenntnisse im Bluff sind im modernen Hochschulwesen unverzichtbar. Ein eigens in den Räumen der taz angesetztes Seminar sollte die Studierenden (angemeldet: Björn, Sonja, Anton) in die theoretischen und praktischen Grundlagen einführen. Dozent: Prof. Dr. Wolf Wagner, ehemaliger Rektor der Hochschule Erfurt und Autor des Standardwerks „Uni-Angst und Uni-Bluff heute“.

2. Die Struktur des Bluffs

Der Akademiker zeichnet sich durch eine ihm eigentümliche Sprechweise aus. Der näselnde Tonfall signalisiert dem Zuhörer die im Vortrag mitzudenkenden Anführungszeichen. Stets hat man das Gefühl, dass er den Gegenstand, dem seine Aufmerksamkeit gilt, wie mit spitzen Fingern von sich weghält. Er bedient sich eines für Außenstehende nur schwer zugänglichen Vokabulars.

Ethnografische Studien deuten darauf hin, dass der Umgang der Akademiker untereinander durch eine gewisse Reserviertheit gekennzeichnet ist. So bleiben im Vorlesungsraum die vorderen Reihen in der Regel leer. Ferner lässt sich beobachten, dass die Zuhörer auch zwischen sich möglichst viel Raum zu lassen pflegen.

3. Praktische Übung

Prof. Wagner nimmt Papier und Stift und blickt in die Runde. Überlegen wir uns einmal einen Bluff-Text. Thema: Merkels jüngster Besuch in Athen, aus politikwissenschaftlicher Perspektive.

Sonja:Die Auswirkungen des Griechenlandbesuchs von Angela Merkel auf die Europapolitik können aus zwei verschiedenen Perspektiven analysiert werden. Ist das jetzt schon bluffig?“

Prof. Dr. Wagner: „Nö, gar nicht.“

Anton: „Voll verständlich.“

Prof. Wagner (notiert den Satz): „So, jetzt müssen wir uns ausdenken, aus welchen Perspektiven.“

Sonja: „Da fängt es dann wohl an mit dem Bluff …“

Die Seminarteilnehmer machen ein kluges Gesicht und schweigen.

Prof. Wagner: „Tja, vielleicht irgendwie so: Besuchsdiplomatische Hypothesen...

Sonja: „… untermauern …

Prof. Wagner: „Viel zu einfach.“

Ratlosigkeit.

Prof. Dr. Wagner:Besuchsdiplomatische Hypothesen sind reputationsanalytisch zu reflektieren …

Björn: „Reputationsanalytisch?! Also, spätestens da sehe ich doch, dass es Bluff ist.“

Prof. Wagner: „Nee, das gibt’s wirklich.“

Björn: „Okay, da fehlt mir einfach der Background.“

Prof. Wagner:Besuchsdiplomatische Hypothesen sind reputationsanalytisch zu reflektieren, damit nach Einstein (1991) Bias-Fehlschlüsse ausgeschlossen werden können.

So. Punkt.

Anton: „Da gehört schon was dazu, so etwas zu schreiben.“

Prof. Wagner: „Der Satz heißt in etwa, dass man bei Staatsbesuchen nicht die hochangesehenen und die unbedeutenden Politiker miteinander vergleicht. In einem Bluff-Text muss es immer einen minimalen Inhalt geben. Aber der wird unheimlich aufgemotzt.“

Sonja: „Das ist schon eine Kunst. Wenn ich da an meine Seminararbeiten in Philosophie denke …“

4. Der Selbstbluff

Wenn jemand im Seminar aufzeigt und proklamiert, dass besuchsdiplomatische Hypothesen reputationsanalytisch zu reflektieren seien, weil bekanntlich bereits Einstein (1991) und so weiter – dann bleibt einem nichts anderes übrig als zu schlucken und zu schweigen, klug daherzuschauen und innerlich zu leiden. Weil es so schwerfällt, den Bluff zu durchschauen und die Neugier für das Eigentliche zu behalten.

„Ist das die Botschaft Ihres Ratgebers?“, fragt Björn.

„Die Botschaft ist, dass es zwei Arten des Studierens gibt“, sagt Wagner.

Die eine nennt er Inhaltsstudium, die andere Aufstiegsstudium. Das Inhaltsstudium dient dazu, spannende Fragen zu lösen, zu verstehen. Man muss sich eingestehen, wie wenig man weiß, wie ahnungslos man vor der Welt steht. Nur das führt zu den Momenten, in denen es plötzlich Klick macht im Kopf und echte Glücksgefühle entstehen. Das Aufstiegsstudium dient dagegen dazu, voranzukommen, einen guten Abschluss, Karriere zu machen, Reputation in der Wissenschaft zu gewinnen und Anerkennung als Person von hoher Bildung. Das geht nur mit einem Mindestmaß an Protz und Prahlerei.

Inhalts- und Aufstiegsstudium stehen in einem Spannungsverhältnis. Die Aussicht auf Aufstieg und Anerkennung ist oft eine Voraussetzung dafür, dass man sich entspannt den Inhalten zuwenden kann; aber die Gefahr ist groß, irgendwann dem Eindruck seines eigenen Bluffs zu erliegen. „Es wird zur Gewohnheit“, sagt Wagner. „Und das Schlimme ist: Man merkt es gar nicht.“

Sonja ist nach elf Semestern eine Profiblufferin. Das geht so: Sie liest die Texte und überlegte für die Seminarsitzung zu den wenigen Sätzen, die unklar bleiben, mögliche Deutungen: Könnte damit nicht dieses oder jenes oder Folgendes gemeint sein? „Dass ich drei Interpretationsalternativen liefern konnte zu einem einzigen Satz, den den anderen vielleicht überlesen haben, das macht Eindruck.“

Das Bluffen passierte ihr völlig unbewusst. „Bis ich irgendwann gemerkt habe, dass ich die anderen 30 Leute, die gerade nichts sagen, ausschließe mit dem, was ich da erzähle.“

Sie erinnerte sich, dass sie auch einmal zu diesen 30 anderen gehörte. Seither hält Sonja sich zurück, wenn sie bemerkt, dass ein Seminar zu einem Ping-Pong zwischen dem Dozenten und einigen wenigen Teilnehmern abdriftet. „Ich habe die Sprache irgendwann gelernt. Ich beherrsche sie. Aber ich will sie nicht so anwenden, dass sich andere ausgeschlossen fühlen.“

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30 Kommentare

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  • G
    Germanistin

    Kann es sein, dass sich der Herr Professor nur wichtig machen will? Dass man in manchen Fächern mit Sprechblasen durchkommt, ist doch kein neues Phänomen. Und warum sollte es an der Uni anders zugehen, als im Betrieb, wo gerade die Blender das Sagen haben?

     

    Und noch was: Wer oder was gibt eigentlich den Naturwissenschaftlern und Mathematikern das Recht, sich über die Geisteswissenschaftler zu erheben? Seien Sie doch froh, dass Sie sich beruhigt zurück lehnen können! In den "harten" Fächern gibt es ja keine Angeber, die über Dinge reden, von denen sie keine Ahnung haben.

  • HD
    holla die waldfee

    Bedauerlicherweise gibt es aber eine Reihe Berufsfelder, in denen die BlufferInnen weiter kommen als die redlichen. In vielen Jahren Berufstätigkeit sind mir überdurchschnittlich viele dieser Spezies als Vorgesetzte begegnet. Manchmal ist das nur komisch oder frustierend, manchmal ist es aber auch gefährlich.

  • K
    KeinBluff

    @TrollCollect

     

    Danke ! Das ist wirklich mal ein interessanter + wichtiger Kommentar !

  • G
    Grafiker

    Also, ich komme aus dem tiefsten Osten ^^

    Und kann nicht bestätigen, dass es hier keine Blufferei gäbe.

    Nun studiere ich nicht, sondern mache eine Ausbildung. Aber ich kenne ja trotzdem ne ganze Menge Leute aus der Gegend, und ich finde, dass man gerade in meiner Klasse viele Bluffer finden kann. Wobei ich das eher Arroganz nennen würde, und nicht so sehr Blufferei (Wie will man auch im künstlerisch-kreativen Bereich bzw. computertechnischen bluffen?).

    Trotzdem, wenns dann mal zu Diskussionen etc. kommt, merkt man den Leuten schon an, wenn sie ihre Fähigkeiten etwas überschätzen bzw. vielleicht auch richtig einschätzen, und sich gleichzeitig unendlich überlegen fühlen.

    Ich hab das bis jetzt vor allem mit Folgendem in Zusammenhang gebracht: 1. mit gesellschaftlichen Problematiken (soziale Veränderungen ...), 2. dem Bedürfnis, aus der Masse herauszustechen, individuell bis genial zu sein (was durch die neuen Medien meiner Ansicht nach auch gefördert wird) und 3. Teilweise mit einem niedrigem Selbstbewusstsein, das man damit zu kaschieren versucht.

     

    Ich fühle mich in der Gegenwart solcher Menschen jedenfalls unwohl, weil ich weiß, dass von ihnen alles, was nicht zu ihren Freunden zählt, als minderwertig abgestempelt wird. Am liebsten würde ich ihnen komplett aus dem Weg gehen, aber das wird schwierig ^^

     

    PS: Man kann solche Leute auch ganz einfach entlarven, indem man sie nämlich nach einem Fachbegriff fragt, den sie gerade verwenden ... damit hab ich mal voll ins Schwarze getroffen ^^

  • M
    Mathematiker

    Natürlich, auch in den "harten Fächern" ist nicht alles Gold, was glänzt. Ich wollte aber vor allem darauf hinweisen, dass die Fächerkulturen SEHR unterschiedlich sind. Die im Artikel beschriebene, äh, Schwafelei in Seminaren scheint mir ein Spezifikum für gewisse kulturwisenschaftliche Fächer zu sein. Gute Dozenten sollten dies meiner Meinung nach schonungslos offenlegen und eine klare Diskussionskultur fördern.

     

    Schön wäre nur, wenn auch Journalisten mit Aussagen über "die Universität" etwas vorsichtiger wären.

  • T
    Towanda

    In den Naturwissenschaften ist Bluffen nicht möglich? Da habe ich von Biologen aber schon ganz andere Sachen gehört.

     

    @ Brennessel: Auch im Berufsleben geht das Bluffen weiter - gerade dort.

  • TS
    Thomas Sch.

    Nicht nur die Studenten bluffen, auch die Professoren und eigentlich fast alle anderen auch. Wie oft ist festzustellen, daß einfachste Zusammenhänge auf möglichst bombastische Formulierungen aufgeblasen werden. Diese fürchterliche Angeberei ist eine ätzende Landplage. Vom Journalisten bei Radio, TV oder Print über fast jeden Politiker und Dorfpolizisten bis hin zum Studenten vor Ort möchte jeder möglichst schlau daherreden können. Das geht mittlerweile sogar so weit, daß nachvollziehbare Zusammenhänge -weil klar und deutlich formuliert- sogar in den Geruch des Unseriösen gebracht werden. Es wird so getan also ob Verständlichkeit gleichbedeutend mit Unwissenschaftlichkeit sei, ja sogar Dummheit und Populismus wird verständlicher Sprache vorgeworfen. Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Verständlichkeit wird sogar in den Geruch „Vorsicht, rechts !“ gebracht.

    Wenn Sie heute LKW für sich durch die Welt fahren lassen, steht vtl. nicht mehr Fuhrbetrieb auf der Wagentür, sondern „International Logistics & Services“, was früher der Hausmeister war, nennt sich heute „Facility-Manager“. Und sogar der Mann im Radio sagt nicht, daß das Wetter schlecht sei, sondern spricht von „extremste Wetterlagen“. O weia.

    Wer jemals einem Wachtmeister hat zuhören müssen, der sich im TV abquält, den Zusammenhang, eines Unfalles vorzutragen, der darin besteht, daß Jugendliche zu schnell durch die Kurve gefahren sind und deshalb rausgetragen wurden und gegen einen Brückenpfeiler geknallt sind, weiß wovon ich spreche. Wenn der arme Beamte dann zitternd vor der Kamera steht und anfängt: „Der Wagen mit dem amtlichen Kennzeichen Soundso, der (Relativsatz eins beginnt) die Bundesstraße Soundso um soundsoviel Uhr befuhr und mit mehreren Jugendlichen besetzt war... (Jetzt muß er schon überlegen, wie er den Satz weiterführen muß) ... und mit vermutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war (erstmal gerettet), ... ist... (gegen die Brücke geknallt, traut er sich nicht zu sagen) hat vermutlich die Kontrolle über den PKW (er sagt nicht Auto oder Wagen) verloren, was dazu geführt hat (Jetzt fängt er an zu strecken), daß eine Kollision unausweichlich wurde. (Uff, geschafft). Derart gespreizt redet heute fast jeder. Alle machen sich Alles vor und dann wundern sie sich auch noch über die Anderen. Auch Ihr, liebe TAZ-ler, seid damit gemeint.

  • T
    TrollCollect

    In dem, was hier "Bluff" genannt wird, sieht Pierre Bourdieu in "Die feinen Unterschiede" einen wichtigen Teil der Erziehung zur Funktionselite. Bluffen ist nicht Nebenprodukt, sondern eigentliches Ziel derartiger Studiengänge; die Inhalte sind eher nebensächlich, was auch für die diversen Business Schools gelten dürfte. Hier wird die Sozialisation zu einem Habitus vollendet, der zum Herrschen auf mittlerer Ebene befähigt. Die Bluff-Sprache dient dabei zweierlei Zwecken: Abgrenzung von und Beeindrucken der Untertanen, sowie Schaffung subtiler Merkmale der "richtigen" Zugehörigkeit. Man erkennt sich am Habitus, was das "Netzwerken" ungemein vereinfacht und die Plebejer besonders in formal gleichberechtigt-demokratischen Gesellschaften informell von Macht- und Einflußpositionen fernhält.

     

    Naturwissenschaftlich-technische Hochschulen hingegen bilden eine Art "Edelproletariat" aus. Gut bezahlt mitunter, aber fern von wirklicher Entscheidungsmacht. Über Budgets und Forschungsrichtung entscheiden jene mit den "butterweichen" Abschlüssen. Das Tun der MINT-Absolventen soll letztlich in attraktive Produkte münden, da sie die Grundlage jenes Reichtums sind, den die Dummschwätzer unter sich aufteilen wollen. Übermäßige Eitelkeit und mangelnde Fähigkeit zur Zusammenarbeit kommen zwar vor, stehen diesem Ziel jedoch entgegen und sind darum von Anfang an nicht gewünscht.

  • U
    Uschlef

    Hmm ich bin auch Student der Uni - Erfurt und das ausgedehnte schweigen im Seminar lässt sich aber auch durch desinteresse erklären .....wie oft sitzen da 2/3 der Seminarteilnehmer im Raum ohne den zu lesendnen Text auch nur flüchtig überflogen zuhaben. Das ist meines erachtens auch oft der Grund warum Seminare zu Ping Pong Veranstaltungen werden ...wenn von 25 Teilnehmern nur 5 den Text gelesen haben und von den 5 sich dann nur 3 weiter gehend gedanken zum Text gemacht haben wird das natürlich sehr schnell sehr einseitig.

    Vorallem Lehramtsstudenten die ihre Fachrichtung einfach nur gewählt haben weil sich damit später auf einer Arschbacke Geld verdienen lässt stechen da des öfteren heraus.

     

    Leute die Satzhülsen absondern wie im Artikel beschrieben gibt es natürlich auch aber ich für mein Teil Frage dann einfach was Person X oder Y damit sagen will ...wenn nicht sogar der Dozent dann nachhackt was Person XY damit in verständlichen Worten sagen möchte.

  • ES
    Ebenfalls studierter Physiker

    Wenn ich das schon wieder lese:

    Auch und gerade in der Physik wird geblufft, in den Vorlesungen genauso wie im Wissenschaftsbetrieb. Welcher Prof gibt sich schon die Blöße, etwas nicht zu wissen? Da wird dann ein reichlich theoretischer Halbsatz in den Raum geworfen, und dann ist Ruhe.

     

    Aber Hauptsache, man hat mal wieder die besondere Wichtigkeit des eigenen Faches hervorgehoben...

  • EO
    ein ostdeutscher angehender Ingenieur

    Also ich weis ja nicht wo die meisten hier was studieren. Aber bei mir, ich studiere im tiefsten Osten Deutschlands, in meinem Ingenieursfächern wird so etwas nicht einmal ansatzweise gemacht. Da gehen Pofessoren und Studenten fair gegenseitig und untereinander um. Da muss niemand sein Unwissen verbergen und auch mit vorhandenem Wissen wird nicht geprahlt. Unverständlichkeiten werden mit Fragen sofort beseitigt.

    Da wird nicht mit Erfolg geprahlt sondern versucht anderen zu helfen. Da werden auch einzelne Defizite nicht vertuscht und sondern versucht mit Kommilitonen und Professoren zu beseitigen. Und wer andere täuscht oder versucht seine eigenen Qualifikationen zu tarnen, der steht schnell allein auf weiter Flur.

  • D
    D.J.

    Man darf hier keinesfalls verallgemeinern. Ich denke aber, das Problem an deutschen Universitäten ist in einigen Fächern die sprachliche Unfähigkeit bzw. der Unwille, sich für ein breiteres Publikium verständlich auszudrücken. Gern wird durch unnötig verquaste Sprache eigenes Unverständnis kaschiert: Ein von mir sehr geschätzter älterer Historikerkollege hat mal gesagt: Was man seiner Putzfrau nicht so erklären kann, dass auch sie es versteht, hat man selbst nicht richtig verstanden. Der große Mommsen bekam übrigens 1902 für seine Römische Geschichte den Nobelpreis für Literatur (!). Lang ist es her. Heute sollten wir uns die angelsächsischen Kollegen zum Vorbild nehmen - diese legen oft mehr Wert auf sprachliche Klarheit, kürzere Sätze und möglichst Verständlichkeit auch für interessierte Laien.

  • N
    Naturwissender

    Sind nicht die naturwissenschaftlichen Fächer die größten Bluffs an sich?

     

    In diesen geht es doch zumeist um simpelste Annahmen, die dann durch ein aufgeplustertes Vokabular und mehrere Schachtelsätze hintereinander nahezu Absurd wirken. Wenn unter diesen Bedingungen jemand nicht mehr folgen kann, kein Wunder!

     

    Komplexer wird es erst, wenn es nicht mehr um rein mechanische Abläufe geht :-)

     

     

    Jedoch sollte auch bei der Analyse von sozialen und organischen Strukturen das Vokabular verständlich bleiben.

  • N
    neubau

    Da merkt man doch, wie sehr das humboldtsche Bildungsideal eben nur ein Ideal geblieben ist. Während meines gesamten geisteswissenschaftlichen Studiums war immer wieder augenscheinlich, dass manche Kommilitonen sich mittels Sekundärliteratur den gesamten wissenschaftlichen Diskurs "draufschafften" und vorm Kernproblem dennoch so verwirrt wie zuvor standen. Für die 1,0 in der Seminararbeit und einen guten Abschluss reichte es dennoch - allerdings sah man von diesen "Bluffern" keinen eine Promotion anstreben, sobald sie verstanden hatten, dass man mit einem abgeschlossenen Studium auch in der Wirtschaft unterkommen kann.

     

    Die nötige Balance zwischen Wissen und Erahnen (denn der Bluff ist ja nichts anderes) ist die Voraussetzung für wissenschaftlichen Erfolg - auch auf der Karriereleiter der Hochschulen. Sagt mir meine eigene Erfahrung.

  • A
    anke

    Der reinste Bluff, dieser Text!

     

    "Ein Profi [...] ist jemand, der […] eine Tätigkeit zum Erwerb des eigenen Lebensunterhalts […] ausübt." (Wikipedia) Ein Profi-Bluffer ist also jemand, der Geld mit Bluffs verdient. Fall Studentin Sonja sich tatsächlich "zurück[hält], wenn sie bemerkt, dass ein Seminar zu einem Ping-Pong zwischen dem Dozenten und einigen wenigen Teilnehmern abdriftet", tut sie genau das Gegenteil. Sie kneift und unterstützt damit die Bluffer, statt sich - im übertragenen wie im Wortsinn - "ins Spiel zu bringen" und zugleich mit denen zu solidarisieren, die ebenfalls still unter den eitlen Selbstdarstellern leiden. Deutlich professioneller würde ich es finden, würde Studentin Sonja sich melden und die Streithähne in einfachen Worten fragen: "Wollen Sie damit sagen, dass es sich [so und so] verhält, oder [so und so]?" Damit wären die Bluffer als Windbeutel enttarnt und die übrigen Studenten zum Mit- bzw. Weiterdenken ermutigt. Na ja, eine Haken hätte die Sache wohl. Heutzutage sind die meisten Chefposten schon mit Bluffern besetzt. Und diese Leute entscheiden, wer befördert bzw. eigestellt wird und wer welchen Auftrag erhält. Eher wird also einer mit Bluffs reich, als mit eigenem Wissen und dem Können anderer.

     

    Merke: Vernunft oder auch nur Solidarität lernt man nicht in Bluff-Seminaren. Auch nicht im elften Semester. Im Bluff-Seminar lernt man, dass es keine Alternative zum Bluffen gibt, und dass man andere ausstechen muss, wenn man überleben will, auch und gerade dann, wenn man selber fast nichts zu bieten hat. Was daran sinnvoll ist, darf man nicht wissen wollen.

     

    Übrigens: Es ist kein Merkmal eines Bluffs sondern eher ein Merkmal des "Inhaltsstudiums", wenn sich jemand "drei Interpretationsalternativen [...] zu einem einzigen Satz" überlegt. Es ist nämlich eine bewährte Methode, sich Dinge dauerhaft einzuprägen, wenn man sich ihnen über ganz verschiedene Zugänge nähert. Je mehr Querverbindungen das Gehirn herstellt, um so sicherer sitzt das neue Wissen und um so besser lässt sich später daran anknüpfen. Ich bin überzeugt, die meisten Studenten wären auch ohne Bluff-Training zu derartigen "Höchstleistungen" in der Lage. Mehr noch: Ich denke, es täte der Wissenschaft insgesamt ganz gut, würde nicht das Bluffen an Schulen gelehrt, sondern ernsthaftes Studieren. Echte Profi-Bluffer nämlich bluffen, sofern sie nicht hirntechnisch gestört sind, aus purer Notwehr. Sie haben einfach keine Ahnung, wie sie anders zurecht kommen sollten in einem Studium oder einem Job, für das/den sie keinerlei Begabung mitbringen, das/den sie aber trotzdem absolvieren müssen, um an Papas (oder eben fremder Leute) Knete zu kommen. Wenn man deren Selbstwertgefühl auf die Sprünge helfen würde, indem man ihnen die Angst vorm Versagen nimmt, wäre allen geholfen. Den Bluffern, den Inhaltsstudenten und ganz besonders der Wissenschaft. Der gute Eindruck würde dann ganz nebenbei entstehen. Als Abfallprodukt sozusagen.

  • DK
    Detlev Klein

    Wenn sich herausstellen sollte, dass die Wissenschaftsministerin Annette Schavan deutlich gegen die Dissertationsvorschriften verstoßen hat, dann wüßten die Teilnehmer zweierlei: a) Man kann ziemlich lange täuschen, betrügen, bluffen, sich aufblasen und b) man kann damit Karriere machen. WRNUNG: Aber besser nicht mehr in der Politik - das zieht zuviel Aufmerksamkeit und Ärger auf sich.

     

    Das Problem ist doch einfach: Die Universitäten sind vielfach gar nicht in der Lage, wirklich motivierten Studenten eine echte Grundlage für wirklich wissenschaftliche Exzellenz anzubieten. Am Ende finden sich die Leute in einem Bluff-Seminar wieder und lernen, wie bedeutsam es ist, ein bestimmtes Image sich zu geben. Und wenn es wirklich nur um Bluff, Image und effiziente Studiertechniken geht, dann steigt leider auch die Gefahr ganz dramatisch, irgendwann mit Pauken und Trompeten aufzufliegen.

     

    Da sich ein bestimmter Teil unserer Gesellschaft gerne mit akademischen Titeln schmückt und Lehr- bzw. 'Leerjahre' gerne mit Dissertationen übertüncht, dürften die Seminarteilnehmer bald noch viele Beispiele für Aufschneidertum und Big-Bluffs vorfinden. Nur leider bildet sich langsam Widerstand gegen diese Art von Schlauheit heraus. Also besser doch mal an die Inhalte bzw. an sich selbst denken, denn wer möchte schon gerne als Idiot enden? Immerhin bietet selbst das Bachelor-Programm doch einen Einblick in tiefere Inhalte und Geistesarbeit an.

  • B
    Brennessel

    Spätestens im Berufsleben kommt man so nicht weit. Wenn Taten wichtiger sind als das ganze dumme gequatsche. Wie wärs damit? KRITISCHES NACHFRAGEN! gilt auch für Profs.

  • P
    Physiker

    @AuchMathematiker:

    Dass der Wissenschaftsbetrieb mitunter einfach nur lächerlich ist, war hier ja nicht der Punkt, aber das stimmt schon.

  • A
    artec

    Die im Artikel beschrieben Situation kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.

     

    In PoWi, WiWi und ganz besonders Architektur, wo es beinahe nur noch um Schein und Selbstvermaktung geht (sogar unter Dozenten und Profs):

    Kultivierte Unverbindlichkeit, Ablehnung gegenüber allem was Gesagt oder Getan wird und Verschleierung von mangelndem Selbstwert oder Selbstreflektion.

     

    Egotrips.

     

    Ignoranz wird mit Ignoranz beantwortet und kaum jemand fragt nach oder versucht zu verstehen was hier passiert und möchte hinter das Theater schauen.

     

    Das sprichwörtliche "Labern" hab ich irgendwann abgelegt und stand plötzlich ziemlich alleine da.

  • A
    AuchMathematiker

    Uff, die Bluffer gibt es aber auch unter den Naturwissenschaftlern. Da werden dann Trivialitäten so lange aufgeblasen, bis die Referees das nicht mehr verstehen und dann erscheint das in einer mittelprächtigen Zeitschrift und verlängert die Publikationsliste.

  • J
    JohnReed

    Sorry, aber ich habe diesen Artikel in Aufbau, Inhalt und Message irgendwie nicht verstanden.

  • BB
    BAlduin Bandwurm

    Also ich erinnere mich gut an meine Einführungsveranstaltung. Ich hatte einen Block vergessen und mein Nachbar hatte keinen Stift. Ich hab ihm nen Stift geliehen und er hat sein Schokoladenpapier (!) mit mir geteilt auf dessen Rückseite ich dann meine Notizen machen konnte. Viele Semester später haben wir uns mal besoffen wegen seiner Schwester geprügelt. Darin liegt doch der Sinn des Studiums, da hat niemand geblufft o.ä. Irgendwann zu dieser Zeit kamen allerdings auch die ersten ReferentInnen mit Power Point Präsentationen zum Seminar. Da begann der große Bluff. ;-)

  • P
    Physiker

    @Mathematiker: Jo, da kann ich nur zustimmen; das, was hier als "Aufstiegsstudium" definiert wird, ist in Physik oder Mathe überhaupt nicht möglich und "bluffen" kann man, wenn man etwas nicht verstanden hat auch nicht. Es kommt zwar durchaus vor, dass nur wenige im Tutorium sich einbringen, aber das sind dann keine Bluffer, sondern die haben es halt schon kapiert.

  • M
    mörff

    Dieses Bluffen muss wohl in Geistes- und Sozialwissenachaften weit verbreitet sein. Ich finde, wer das Fach versteht, kann es auch auf einfache Sätze bzw. Zusammenhänge runterbrechen. Ingenieure oder Naturwissenschaftler können das doch auch.

    Ansonsten schließe ich mich dem Mathematiker an, da es in meinem Maschinenbaustudium Bluffen auch nicht großartig möglich ist.

  • K
    Karl

    @ Mathematiker,

     

    sichr, es ist nicht ganz so einfach in den Naturwissenschaften zu manipulieren, aber leider gibt es auch dort Möglichkeiten!

     

    Primär die ergebnisorientierte Messwerterfassung oder die Bearbeitung von Datensätzen nach gut überlegten Kriterien, das lässt sich dann natürlich nach den Regeln der Kunst sauber abarbeiten, ohne deshalb wissenschaftlich einwandfrei zu sein.

     

     

    Nehmen Sie als Beispiel dafür einfach die letzte PIK-Veröffentlichung zur Riffentwicklung mit Extrapolationen über 32 ka! Statistisch war das zwar statthaft, aber solche Prognosen ohne jeden paläontologischen und geologischen Input führen einen solchen Ansatz ad absurdum!

     

    Kann natürlich auch sein dass damit nur die Grundlagen für weitere Projektanträg gelegt werden sollten, a la Methode "R". Denn schließlich hat ja" die umfangreiche Kritik offengelegt, dass für diese Prognosen noch viele Erkenntnislücken zu schließen sind!"

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • J
    Johny

    Ich finde es ja sehr interessant das die "sozialen und geistigen" Fächer sich mit ihrem, ja scheinbar hochgradig asozialen Verhalten, als represäntativ für alle anderen Studiengänge halten (leichter Größenwahn??).

    Als Student in einem Unterfach des Maschinenbaus, hab ich durchweg gute Erfahrung mit der Gruppendynamik in unserem und ähnlichen Studiengängen. Auch schließe ich mich Mathematiker an, was das bluffen in Mathematik- und Physikfächern angeht, viel spaß dabei.

  • L
    Langweilig

    @Mathematiker

     

    Wenn ein Interesse daran besteht, kann so ein Bluff auch in den "weichen" Fächern ohne größere Probleme zerlegt werden.

    Leider herrscht oft eine Mentalität der Rücksichtsnahme, d.h. man will den/die Betreffende/n nicht bloßstellen.....

  • A
    atalaya

    Das war vor 30 Jahren (bei den Philosophen) auch nicht anders: Es gab Jünger, die saßen in der ersten Reihe und redeten immer unglaublich schlau daher, um ihren verabgötterten Professor in den Allerwertesten zu kriechen und den Rest der dummen Studenten und sich selbst zu beeindrucken. Und dieser Rest schwieg überwiegend.

     

    Als Bluff war das spätestens nach ein paar Sitzungen zu durchschauen. Aber die eitlen Professoren, die selbst oft Bluffer waren, gefielen sich in der Rolle des Gurus und taten daher verständlicherweise nichts, um die Jungbluffer des Bluffens zu überführen (obwohl philosophisches Denken dies erfordert hätte).

     

    Wer mir heute mit solchen Wortungetümen wie "reputationsanalytisch" kommt, ist sofort unten durch. Diese aufgeblasene Rede- oder Schreibweise zeugt nämlich weder von Klarheit des Denkens noch von intellektueller Redlichkeit.

  • M
    merlberlin

    ich vermute dies war der heutige beitrag aus der kolumne "die wahrheit". auch für herrn zu guttenberg kam dieser moment einmal - nach einem bereits versemmelten 2ten staatsexamen. zum sinn des ganzen - gewiss geisteswissenschaftlichen - akademischen unterfangens sei auf einen, leicht verständlichen grundlagentext eines klassikers verwiesen. schillers antrittsvorledung. voila: http://de.wikipedia.org/wiki/Was_hei%C3%9Ft_und_zu_welchem_Ende_studiert_man_Universalgeschichte%3F

  • M
    Mathematiker

    Ich wundere mich immer über die Selbstverständlichkeit, mit der manche Disziplinen gleich die ganze Uni, oder vielleicht sogar das akademische Leben an sich, für sich in Beschlag nehmen. Ich wünsche jedenfalls viel Spaß beim Bluff in dem, was manche die "harten Fächer" nennen - Mathematik, Physik etc.