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Seltsame Ermittlungen

■ Fahndungsflop im Fall Oliver Neß / Anklage gegen mindestens drei Polizisten

Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft im Fall der Mißhandlung des Journalisten Oliver Neß durch Polizeibeamte während der Haider-Kundgebung am 30. Mai 1994 gibt zu Irritationen Anlaß: Einerseits werden wohl nur drei der fünf beteiligten Polizisten angeklagt, andererseits macht die Polizei im Hau-Ruck-Verfahren Jagd auf Filmmaterial.

Anfang der Woche war die Anklagebehörde mit einer Fahndung nach einem „Super 8“-Filmer an die Medien getreten. Am Mittwoch schlugen dann übereifrige Fahnder vom „Dezernat Interne Ermittlungen“ (DIE) zu und stürmten die Wohnung von Jörg K. mit der Begründung: „Gefahr in Verzug“. Und das ein Jahr nach dem Vorfall. Die Polizisten stellten bei der „100 Prozent rechtswidrigen Aktion“, so Anwalt Johannes Santen, die Wohnung auf den Kopf und beschlagnahmten über 100 Filme. Ihr Problem: Jörg K. war damals gar nicht auf dem Gänsemarkt.

Der tatsächliche Filmer Lutz K. hat gestern, via Rechtsanwalt Rudolf von Bracken, Kontakt zu den Ermittlungsbehörde aufgenommen und wurde noch am Nachmittag von der DIE vernommen. Lutz K. stellte der DIE auch eine Kopie seines Films vom Gänsemarkt zur Verfügung, das Original ist bei einem Anwalt deponiert. Lutz K. begründete seine Zurückhaltung damit, daß er „kein Vertrauen“ zu den Ermittlern gehabt habe, weil im vorigen Jahr Beweismaterialien bei der Polizei verschwunden sind.

Staatsanwaltschafts-Sprecher Rüdiger Bagger mochte gestern nicht bestätigen, daß nur drei der fünf tatbeteiligten Polizisten angeklagt werden sollen. „Die Abschlußverfügung liegt beim General“ – gemeint ist Generalstaatsanwalt Arno Weinert. Bagger erklärte weiter: „Theoretisch kann sich da noch einiges ändern.“ Nach dem derzeitigen Stand sollen aber nur die Bereitschaftspolizisten Ralf Meins, Olaf Aust und Oliver Heinz vor den Kadi gezogen werden. Meins soll Neß im Würgegriff zu Boden gerissen, Aust mit den Schlagstock die Rippen traktiert und Heinz dem Reporter mehrfach den Fuß umgedreht haben – Oliver Neß erlitt einen Bänderriß.

Verwunderung herrscht darüber, daß das Verfahren gegen den „Einsatzzug-Mitte II“-Zivilfahnder Andreas Vatterott, den „Anführer“ des Überfalls, „vorläufig“ eingestellt wurde. Eine derartige Formulierung legt unter Juristen den Schluß nahe, daß gegen den Beamten – vielleicht im Zusammenhang mit den Vorfällen im Kirchenallee-Revier – noch gravierendere Straftaten anhängig sein könnten.

Kai von Appen

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