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Seltene Fächer an HochschulenImmer auf die Kleinen

Wenn Unis sparen wollen, trifft es oft seltene Lehrstühle. Eine Arbeitsgruppe wacht darüber, dass bedrohte Hochschulfächer nicht aussterben.

Für weitere fünf Jahre finden sich in den Unibibliotheken in Halle und Wittenberg auch die Studierenden des Seminars für den Christlichen Orient. Foto: imago/stefan noebel-heise

Wer regelmäßig Nachrichten verfolgt, muss den Orient zwangsläufig mit religiösen Konflikten verbinden: Muslime jagen Kopten, armenische Christen und Türken streiten sich über den Begriff Genozid, von konfessionellen Überwerfungen ganz zu schweigen. Über die Wurzeln religiöser Konflikte wird an der Universität Halle-Wittenberg seit Jahrzehnten gelehrt. Am Seminar für Christlichen Orient und Byzanz lernen die StudentInnen die Literatur, Kultur und Religion der sechs christlich-orientalischen Völker kennen – und die historischen Gründe für die Grenzen des friedlichen Nebeneinanders.

Heute ist das Institut bundesweit einzigartig. Seit 1997 wurden drei Hochschul-Standorte geschlossen, zuletzt in Tübingen. Für das Fach „Christlicher Orient“ gibt es an deutschen Universitäten nur mehr eine ordentliche Professur. Das zeigt eine Langzeitstudie der Arbeitsstelle Kleine Fächer an der Universität Mainz, die heute vorgestellt wird.

119 Fächer stehen unter Beobachtung, 14 sind wie das Fach Christlicher Orient mit nur einer Professur akut vom Aussterben bedroht. Beobachtet werden jene Fächer, die höchstens drei Professuren haben, aber einen eigenständigen Studiengang bilden. „Die Professuren- und Standortzahlen sind insgesamt weitgehend stabil geblieben“, erklärt Projektleiterin Mechthild Dreyer der taz.

Dass einzelne Fächer stark geschrumpft oder wie die Niederdeutsche Philologie für immer von der deutschen Hochschullandschaft verschwunden sind, konnten jedoch weder die Mainzer Artenwächter noch ihre Vorgänger in Potsdam verhindern. Die Arbeitsstelle dokumentiert lediglich die Entwicklung bedrohter Fächer.

Kampf um zusätzliche Mittel

Dass man das Fach Christlicher Orient in Deutschland heute noch studieren kann, ist Udo Sträter zu verdanken. Der Rektor der Universität Halle-Wittenberg weigerte sich im vergangenen Jahr, die ministeriellen Sparvorgaben aus Magdeburg umzusetzen. Da die Schließung wichtiger Institute für ihn ebenso wenig in Frage kam wie die Streichung kleiner Fächer, musste er zusätzliche Gelder einwerben.

Für die Orient-Professur, die seit drei Jahren vakant ist, hat Sträter soeben einen Finanzier gefunden. Ab kommendem Wintersemester wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), und damit die öffentliche Hand, die Kosten des Lehrstuhls für fünf Jahre tragen. „Ein Glücksfall“, freut sich Rektor Sträter.

Das Ringen um Sparvorgaben und öffentliche Drittmittel in Halle bringt das Kernproblem der kleinen Fächer auf den Punkt: Die Hochschulen brüsten sich gerne mit dem Alleinstellungsmerkmal eines seltenen Fachs. Nur wollen sie dafür keine Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen. In der Regel haben kleine Fächer wenig Studierende und Absolventen und werben kaum Drittmittel ein. Damit gelten sie als bilanzschwach. Da die Hochschulen für leistungsstarke Fächer aber mehr Gelder von den Länderministerien überwiesen bekommen, sind kleine Fächer bei Sparplänen schnell unter Rechtfertigungsdruck.

Hoffnung auf den Bund

Für das Fach Christlicher Orient waren in den letzten Jahren nie mehr als 50 Studierende eingeschrieben. „Seit Jahren müssen wir dafür kämpfen, dass unser Fach nicht geschlossen wird“, bestätigt Armenuhi Drost-Abgarjan, die in Halle Armenische Sprache und Literatur lehrt. Seit 2011 ist sie außerplanmäßige Professorin am Orient-Institut, davor hatte sie eine Gastprofessur inne, bezahlt vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). „Die Universität will kein Geld für den Lehrstuhl ausgeben“, ist Drost-Abgarjan überzeugt. Tatsächlich schrieb die Hochschulleitung die ordentliche Professur erst dann neu aus, als klar war, dass ihr Budget für die nächsten fünf Jahre entlastet würde.

Ob Bund und Länder verpflichtet sind, exotische Fächer zu schützen, wird kontrovers diskutiert. Die Hochschulen sehen den Bund in der Pflicht. Zwar müssten sich kleine Fächer wie alle anderen auch dem Wettkampf um öffentliche Forschungsprojekte stellen, erklärt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in einer Empfehlung für kleine Fächer. Gleichzeitig spricht sich die HRK dafür aus, kleine Fächer von der leistungsorientierten Mittelvergabe auszunehmen, und zusätzlich mit Bundesmitteln zu fördern.

Davon will das Bildungsministerium jedoch nichts wissen: „Die Verantwortung für die Fächer selbst und ihre Professuren liegt bei den Hochschulen und den Ländern“, heißt es auf Anfrage der taz. Die Kartierung durch die Mainzer Arbeitsstelle habe bereits dazu beigetragen, dass die kleinen Fächer „mehr ins Bewusstsein“ gekommen seien.

Ob die Mainzer Arbeitsstelle auch in Zukunft noch alle 119 gefährdete Fächer beobachten können wird, hängt von Fürsprechern wie Rektor Sträter ab – und einer offenen Debatte über die leistungsorientierte Hochschulfinanzierung.

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