Sellner-Treffen bei Berliner AfD: Kleinreden und wegducken
Konsequenzen für das Geheimtreffen im AfD-Büro sind unwahrscheinlich. Mit der Vorsitzenden Kristin Brinker ist Berlins AfD nach rechts gerückt.
D ie Vorstellung einer doch irgendwie gemäßigten Berliner AfD ist ein Mythos. Auch in der Hauptstadt sind die Hemmungen, sich mit den Ideen und Persönlichkeiten der extremen Rechten gemein zu machen, längst gefallen – egal wie bürgerlich die zentralen Figuren des Landesverbandes auch nach außen auftreten mögen. Wer dafür noch einen Beweis brauchte, findet ihn in der durch taz-Recherchen bekannt gewordenen Veranstaltung des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner bei der AfD in Blankenburg Anfang November.
Öffentlich standen bislang AfD-Politiker:innen und -Funktionär:innen in der Kritik, weil sie in geschlossenen Gesellschaften auf Figuren der Neuen Rechten – wie Sellner oder Götz Kubitschek vom Institut für Staatspolitik – getroffen waren. Das Treffen in der als „Braunes Haus“ bekannten Parteizentrale der Pankower AfD ist etwas anderes. Hier ist die AfD, unabhängig davon, ob letztlich ihre eigenen Funktionäre oder der Vermieter der Räumlichkeiten Sellner einluden, viel direkter involviert. Es war ein Geheimtreffen bei einer Partei, die grundgesetzlich dazu verpflichtet ist, öffentlich an der politischen Willensbildung der Bevölkerung mitzuwirken.
Dass sich die Parteiführung um die Landesvorsitzende Kristin Brinker auch dreieinhalb Monate später sich dazu weder verhalten noch Konsequenzen gezogen hat, spricht für sich. Die Unvereinbarkeitsliste der Partei, die die von Sellner gegründete Identitäre Bewegung umfasst, ist das Papier nicht wert, auf der sie geschrieben steht. Die Ideen der Neuen Rechten, die Forderung nach „Remigration“ sind Allgemeingut in der Partei. Unterschiede gibt es nur noch darin, wie laut man das herausposaunt, also wie groß die Sorge vor einem Parteiverbot oder dem Entzug staatlicher Gelder ist.
Brinker, seit 2021 an der Spitze von Partei und Fraktion, versucht öffentlich, den Anschein der Abgrenzung zu wahren. Ihre Teilnahme an einem Geheimtreffen beim ehemaligen CDU-Finanzsenator Peter Kurth im vergangenen Juni versuchte sie kleinzureden – „geschockt“ sei sie ob der anwesenden prominenten Faschisten gewesen und schnell wieder gegangen. Dumm für Brinker, dass sowohl Kubitschek als als auch der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, das ganz anders in Erinnerung hatten – und davon berichteten, sich noch spät abends mit einer bestens aufgelegten Brinker unterhalten zu haben.
Brinker ist durch einen Pakt mit den Völkischen an die Parteispitze gekommen; der Landesvorstand ist gespickt mit Personen aus jenem Spektrum. Wenig wahrscheinlich also, dass sich dieser nun zu Konsequenzen gegen die Veranstalter des Sellner-Treffens durchringt, wie es etwa der ehemalige Pankower AfD-Chef Michael Adam fordert. Und selbst wenn sich doch ein Bauernopfer finden sollte: Die Berliner AfD ist längst ganz rechts außen angekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld